Dämonentor
Boden und scharrt angestrengt mit einem Fuß. »Ich musste zwei Wochen
lang eine Gruppe Forensiker bewachen. Das Schlimmste an diesen Gräbern war,
dass man hinterher wie ein Wahnsinniger versucht, den Dreck abzuschrubben, aber
letztendlich muss man die Stiefel dann trotzdem wegwerfen. Wenn der Geruch erst
einmal in das Leder eingedrungen ist, wird man ihn nie wieder los.« Er wendet
sich ab. »Sie können es sich also abschminken, dass ich Ihnen bei diesen
Trophäen behilflich bin.«
»Dann bringen Sie mir eben eine Axt!«, fahre ich ihn
irritiert an. Er wirft mir einen eigenartigen Blick zu und scheint für einen
Moment zu überlegen, ob er mir eine verpassen soll oder nicht. Dann dreht er
sich um und verlässt die Zelle.
Kurz darauf kommt er mit einer Axt und einem leeren
Sack zurück. Er lässt mich für zehn Minuten allein, in denen ich herausfinde,
wie schwer es ist, ein gefrorenes Handgelenk zu durchtrennen. Wer weiß, wie
lange es dort schon liegt? Einige Tage oder vielleicht einige Wochen? Eine
wahnsinnige Wut breitet sich in mir aus. Ich bin so aufgebracht, dass mich die
schreckliche Arbeit, die ich hier erledigen muss, nicht einmal entsetzt. Ich
will dieses Monster finden, das hier so gewütet hat. Ich will es spüren lassen,
was es anderen angetan hat. Und wenn ich dafür eine tote Hand von einem toten
Arm abtrennen muss, dann bezahle ich gerne diesen Preis – und zwar mit Zinsen.
Aber warum quält mich immer noch dieses Gefühl, dass
ich etwas ganz Offensichtliches übersehen habe? Zum Beispiel warum uns dieser
Dämon – dieser Dibbuk, dieses Geistwesen oder wie auch immer man es bezeichnen
will – überhaupt hierhergelockt hat?
9
Schwarze Sonne
Als ich mit meiner grässlich gefüllten Tasche aus dem
Keller komme, sind Hutter und Mo nirgendwo zu sehen. Chaitin wartet mürrisch
auf mich, während er von einem Fuß auf den anderen hüpft – wahrscheinlich, um
sich warm zu halten. »Gehen wir«, sagt er.
»Alles klar.« Wir gehen den grün schimmernden Korridor
entlang, und ich werfe noch einen Blick zurück. Der Atem ist in der kalten Luft
weiterhin deutlich zu sehen. Dann schließe ich mein Visier, arretiere es,
überprüfe meine Kontrollkonsole und spüre, wie die Luft um meinen Kopf zu
zirkulieren beginnt. »Wo sind die anderen?«
»Der Boss ist dabei, die Bombe scharf zu machen, und
Ihre Freundin befindet sich mit einem Teil der Truppe schon auf dem Weg zum
Tor.«
»Gut«, erwidere ich erleichtert. Dieser Ort geht mir
langsam an die Nieren. Allein der Gedanke, ihn mithilfe einer kleinen Explosion
in Schutt und Asche zu legen, gibt mir meine Lebensgeister zurück. »Hat
irgendjemand Papiere oder Dokumente gefunden?«
»Dokumente? Kann man wohl sagen! He, wir haben es hier
mit Deutschen zu tun. Wenn Sie mal mit der Wehrmacht zu tun gehabt hätten,
wussten Sie, was lupenreine Dokumentation bedeutet!«
Wir gelangen zur Treppe, wo Scary Spice bereits auf
uns wartet.
»Du kannst vorgehen«, meint er zu Chaitin. Mich hält
er erst einmal zurück. »Warten.« Dann dreht er an einem Knopf an meiner
Brustkonsole herum. »Können Sie mich hören?«
»Ja, klar und deutlich«, antworte ich. »Haben wir
schon irgendwelche Spuren von dem Kerl, der Mo entführt hat?«
»Sie meinen unsere Zielperson?« Scary hebt seine gut
isolierte Waffe einen Moment lang in die Höhe. Irgendwie bin ich froh, dass ich
seine Miene unter dem Visier nicht erkennen kann. »Nein, noch nicht. Aber Sie
gehen jetzt trotzdem die Treppe hinauf, und ich folge Ihnen. Wenn Sie jemanden
hinter mir sehen sollten, dann schreien Sie, was das Zeug hält. Verstanden?«
»Glasklar«, beteuere ich. Die Schatten werden hier
unten allmählich immer länger, denn die grünen Leuchtstäbe nähern sich ihrem
Ende.
Auf dem Funkkanal, den Scary eingestellt hat, höre ich
nervöse Anweisungen, aus denen ich schließe, dass sich drei Teams auf bestimmte
Positionen zurückgezogen haben und Ausschau nach dem Außerirdischen halten.
Irgendein verdammter Dämon hält sich wahrscheinlich in einem gestohlenen Körper
mitten unter uns auf. Könnten wir uns nicht ein bisschen beeilen?
Offensichtlich nicht: »Timer steht auf 7000 Sekunden ab jetzt«, meldet sich
Alan. »Wir haben einhundert und zehn Minuten Zeit, Leute. Ab jetzt gibt es kein
Zurück mehr. Wer sich in zwei Stunden noch hier aufhält, braucht einen
ultrastarken Sunblocker. Meldet euch einzeln bei mir ab.«
Das tun alle. Nur wir drei fehlen noch. »Okay, raus
mit euch
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