Dämonentor
–und zwar nach der LIFO-Methode. Scary, Chaitin, passt bloß auf Howard
auf und kommt raus, sobald ihr so weit seid.«
»Alles klar, Boss«, ertönt Chaitins Stimme. »Los.«
Ich warte, während Chaitin in der Luftschleuse
verschwindet. Bald darauf öffnet sich die Tür auf meiner Seite, und ich steige
ein. »Ich atme auf Tank eins. Bisher keine Probleme.«
Ich warte zwei ewig lange Minuten. Die Luft zischt aus
der Schleuse nach draußen, und ich spüre, wie sich mein Schutzanzug um mich
herum anspannt. Seltsamerweise wird mir im Vakuum wärmer; die Kälte in der
Festung hat mich wohl meiner Körperwärme beraubt. Schon schwingt die äußere Tür
auf. »Schnell!«
Ich trete aus der Schleuse in den Vorraum, dessen
offene Türen den Blick auf den schwarzen Himmel freigeben. Im Innenhof sehe ich
Chaitin. Nicht weit von ihm entfernt steht die Wasserstoffbombe, deren
fahrbarer Untersatz verschwunden ist. »Hat hier jemand ein Souvenir
mitgenommen?«, will ich wissen.
Eine statische Entladung, die ich gerade noch als
»Was?« entschlüsseln kann, verrät mir, dass der Funk wieder schlechter wird. Am
Himmel sind noch die immer roter werdenden Sterne und der rote Wirbel der
Galaxie zu sehen. Sogar der Mond hat inzwischen einen rötlichen Schimmer
angenommen.
Ich zeige auf die Stelle, wo zuvor das Kettenkrad an
der Mauer lehnte. »Der fahrbare Untersatz ist weg. Wer hat den genommen?«
Chaitin zuckt mit den Achseln. Ich sehe mich um. »Da
entlang«, befiehlt er und zeigt in Richtung Zugbrücke. Ich mache mich auf den
Weg. Das Mondlicht ist seltsam dämmrig und rosa. Entweder ist mir schwindlig
oder … Oder was?
Das Tor, das unser unsichtbarer Feind nach Amsterdam
geöffnet hat, befindet sich etwa einen Kilometer von hier entfernt. Mir bleibt
also noch ein bisschen Zeit zum Nachdenken. Über mir herrscht Dunkelheit. Die
sichtbaren Sterne verteilen sich in einem breiten Band über den Himmel, und der
Mond starrt böse zwinkernd auf uns herab. Die Macht, die es benötigt, um
sämtliche Wärme und Kraft aus einem Planeten wie diesem herauszuziehen, muss
ungeheuerlich sein. Ein menschliches Opfer gibt vielleicht genügend Energie
frei, um einen Dämon zu beschwören. Vielleicht reicht es sogar, um ein Fenster
in ein Universum zu öffnen, das völlig anderen physikalischen Gesetzen folgt
als das eigene. Aber um ein Tor zu einer anderen Version der Erde zu öffnen,
durch das man auch Masse transportieren kann, bedarf es ungeheurer Energien.
Ähnlich gestaltete Welten wirken sich störend aufeinander aus und eine
Kongruenz herzustellen, ist alles andere als einfach. Aber was immer hier
passiert ist …
Ich strenge mich an, um mir ein Szenario vorzustellen,
das dies hier erklären würde. Es gibt im Grunde nur zwei Möglichkeiten:
Erstens: Eine Ahnenerbe-Unterdivision in Deutschland,
irgendwann im April 1945. Sie wissen, dass der Krieg verloren ist, aber eine
Niederlage ist nicht akzeptabel. Hektisch packen sie alles zusammen, was sie
finden können – Lebensmittel, Maschinen, Werkzeuge, Samen, Treibstoff. Mithilfe
einiger Kriegsgefangener öffnen sie ein Tor zu einer kalten, luftarmen Welt, in
der sie abwarten können, bis der ganze Ärger vorbei ist und sie wieder in ihre
Heimat zurückkehren können.
Nein, das ist Schwachsinn. Wie hätten sie diese
Festung errichten sollen? Geschweige denn, den Mond so verunstalten?
Zweitens: Eine leicht abweichende Welt, ein Zweig
unseres eigenen Universums, der sich so nahe an unserer Zeitlinie befindet,
dass die Energie, der es bedarf, um ein stabiles Tor zu unserem Universum zu
öffnen, ungefähr der gesamten Masse eines dieser Universen entspricht. Der
Punkt der Divergenz, also die Gabel, an der sich die Geschichte teilt, ist die
Auswirkung einer Ahnenerbe-Beschwörung, die ziemlich am Ende des Krieges stattgefunden
haben muss. Es war eine Geisterbeschwörung, die so viel Blut erforderte, dass
selbst Xipe-Topec-Priester vor Entsetzen zurückgeschreckt wären und Himmler
sich hätte übergeben müssen. Sie öffneten ein Tor. Bisher nahmen wir an, dass
dies ein taktischer Schachzug gewesen sein muss – eine Möglichkeit, um Truppen
und Maschinen von A nach B zu befördern, ohne dass der Feind merkt, was vor
sich geht. Man befördert sie in eine andere Welt und öffnet dann ein weiteres
Tor zurück. Eine todsichere Methode, um den Feind zu überraschen. Aber was
wäre, wenn sie etwas Größeres, Ehrgeizigeres versuchten? Was wäre, wenn sie
einen Kanal zu einem der unzähligen
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