Dämonenturm - Band 1: Stein auf Schädel (German Edition)
krähen sollen, oder?«
»Das arme Vieh ist durcheinander von dem Tohuwabohu gestern«, erwiderte Wanknieknie und sprang zu dem anderen ins Boot. »Das ist es. Deswegen klingt er auch so komisch. Man sollte ihm mal eine ordentliche Ladung Waltran verpassen, dann geht’s ihm bestimmt wieder besser.«
Die Singstunde war zu Ende. Schüler und Lehrer saßen im Gasthaus und tranken. Genauer gesagt: Schüler und Lehrer saßen im Gasthaus, und der Schüler trank.
»Kaum zu glauben, dass singen so durstig machen kann«, brachte Mjir heraus und schluckte. Dann setzte er den Krug wieder an die Lippen und trank. Und trank. Und trank.
Alagotis sah halb fasziniert, halb entsetzt zu.
Schließlich griff er nach seinem eigenen Krug und nippte vorsichtig daran. Das Gebräu, was immer es war, brannte ihm in der Kehle, kletterte in sein Gehirn hoch und krabbelte darauf herum wie ein zwanzig Kilo schwerer Tausendfüßler.
Er schluckte und hustete.
»Ist es …« keuchte er, unterbrach sich jedoch, als er erneut husten musste. »Ist es bei euch üblich, dass Fünfzehnjährige einen Krug … alkoholisches Getränk nach dem anderen zu sich nehmen? In diesen Mengen?«
»Oh, nein.«
»Was denkst du dir dann dabei? Dir wird furchtbar übel werden.«
»Die anderen trinken noch viel mehr. Ich bin praktisch ein Antialkoholiker.«
»Ah, ja?«
Schwach lächelnd warf der Poet einen Blick auf den Haufen leerer Flaschen hinter sich.
»Aber reden wir nicht von mir«, meinte Mjir, »Ich möchte viel lieber mehr von dir hören. Und von dem Land, aus dem du kommst. Ist es weit weg?«
Verwundert musterte der Bänkelsänger seinen Schüler. »Aber … es ist auch dein Land, Mjir. Es ist hier.«
»Tatsächlich, ist es das? Das ist das Erste, was ich davon höre.«
»Aber …« ein entgeistertes Lächeln erschien auf dem Gesicht des älteren. »Du kennst doch sicher König Arun, oder?«
»Ja, natürlich.«
»Ah, ich wusste, du treibst nur deine Späße mit mir.«
»Aus deinem Lied gestern.«
»Oh.«
Eine Weile herrschte Stille. Nur der andauernde Wind draußen tobte und heulte vor sich hin.
»Soll das heißen, du hast noch nie von König Arun, dem Sohn des Anun, gehört?«, vergewisserte sich Alagotis.
»Nicht bis gestern, Irustar.«
»Und vom Königreich Iakainor?«
»Dito.«
»Aber … aber … diese Insel gehört zum Königreich Iakainor!«
»Was du nicht sagst.«
»Das musst du doch gewusst haben.«
»Woher denn? Bisher hat es niemand erwähnt.«
»Aber das kann doch nicht sein! Jedes Jahr kommen am Königshof Tribute aus allen Ländern an. Auch von Felswind.«
»Windfels.«
»Ja, ja! Wieso schickt ihr jedes Jahr Tribut an den König, wenn ihr nicht einmal wisst, dass ihr zu seinem Reich gehört?«
»Nun …« Mjir kratzte sich am Kopf. »Weil es unsere Väter und deren Väter und vor deren Väter deren Großväter getan haben, und vor deren Großväter die Urgroßväter und vor deren Urgroßväter deren Urur … na, du verstehst schon. Es ist Tradition. Tradition ist wichtig, so sagt man jedenfalls. Außerdem, wohin sollten wir sonst mit dem überschüssigen verfaulten Fisch?«
»Soll das heißen ihr … schickt dem König eure Essensreste ?«
»So in etwa, vermutlich. Obwohl ich es dir nicht mit Sicherheit sagen kann. Die Leute, die den Fisch entsorg … ähm, Verzeihung, den Tribut begleiten, sprechen leider nie viel über das, was sie sehen.«
»Sie erzählen nichts von ihrer Reise? Warum denn das?«
»Was kann es schon interessanteres geben als Robbenjagd und Felsenfußball?« Mjir seufzte deprimiert. »Weißt du, ich glaube, die Wetterbedingungen auf dieser Insel haben eine bestimmte Wirkung auf die Leute.«
Die Hand des Sängers klammerte sich fester an den Bierkrug. »Ich glaube«, stöhnte er leise, »Ich könnte noch etwas von dem Gebräu vertragen.«
Es wurde Mittag, und es wurde Abend, so wie es normalerweise geschieht. Die Fischer kehrten zurück und begaben sich zur Schmiede. Kurze Zeit später wehte ein würgendes Geräusch über die Insel, als Willurd Wanknieknie versuchte, eine metallene Schöpfkelle mit Waltran in die Gurgel des Dorfhahns zu rammen.
Es wurde Nacht.
Wieder ging Mjir zum Strand hinunter. Er musste an die Verse aus dem Lied denken … schön und doch zugleich unendlich traurig. Aber dann schoss ihm durch den Kopf, dass sein Landsmann eigentlich recht gehabt hatte … wo gingen die Elven hin? Warum gingen sie? Es war ihm ein Rätsel.
Nun, die meisten Geschichten enthielten
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