Dahoam is ned dahoam - Bayerische Ein- und Durchblicke
beleuchten und beschallen konnten. Mehr als eine einzige Steckdose war hier nicht vorhanden.
Am zeit seines Lebens technikbegeisterten Ludwig lag dieser Umstand sicher nicht. Der hätte – wäre er nicht viel zu früh gestorben – mit Sicherheit das gesamte Schloss elektrifizieren lassen, allein schon, um das Tischlein-Deck-Dich in seinem Speisezimmer per Knopfdruck rauf- und runterfahren zu können. Und was hätte der Hightech-Freak Ludwig erst alles auf der Insel anstellen können, hätte er sein Schloss im 21. Jahrhundert gebaut! Wahrscheinlich würde er sich die Wagner-Festspiele per Satellit direkt aus Bayreuth auf einem riesigen Flatscreen im Spiegelsaal übertragen lassen, in HD und mit Dolby Surround, versteht sich. Im Park würde er mit einem gütigen Lächeln seinen als Schwäne verkleideten Rasenmäher-Robotern zusehen, und im Arbeitszimmer hätte er einen vergoldeten Tablet-PC stehen, auf dem gerade eine neue Twitternachricht vom Papst eingegangen wäre. Danach würde er vielleicht ein wenig unter dem Nickname »Cyber-Lou« mit den englischen Royals chatten und dann noch schnell ein Gedicht für die Sisi schreiben und es ihr als E-Mail schicken – oder, noch stilvoller, als SMSMS, Seiner Majestät SMS.
Schad, dass er nicht mehr lebt, dachten wir oft, als wir in seinem Schloss zu Gast waren. Beim Gespräch mit unseren Betreuern hatten wir ja ohnehin ständig das Gefühl, er könne jeden Augenblick um die Ecke kommen, so präsent war er. Und wer weiß, vielleicht hätte der König uns ein wenig mehr Freiheit gelassen als sie, die naturgemäß um die Erhaltung seines Erbes besorgt sein müssen. Vielleicht hätte er sich als erwiesener Frischluftfanatiker unser erbarmt und bei der manchmal im Schloss herrschenden Bruthitze eines der hohen Fenster im französischen Stil wenigstens einen schmalen Spalt weit öffnen lassen. Anders als unser Kastellan – der hatte Angst, es könne eine der geschützten Inselfledermäuse ins Schloss flattern und dann bis zu ihrem Hungertod nächtelang immer wieder die Alarmanlage auslösen und damit sämtliche Ordnungskräfte der Umgebung in Atem halten, von der Polizei bis zur Feuerwehr. Apropos Feuerwehr, der hätte der König vielleicht auch mal Bescheid stoßen können. Nicht, dass wir undankbar gegenüber einer fürsorglichen Bürokratie wären, sei sie nun in München beheimatet oder in Brüssel, aber dass die Priener Feuerwehr uns Jahr für Jahr mehr Männer in die Vorstellung setzte (und mit nicht gerade geringen Beträgen in Rechnung stellte), führte schließlich dazu, dass die Kosten für die Floriansjünger den Etat unserer Produktion stärker belasteten als sämtliche Künstlergagen zusammen. Ja mei, hieß es, da kann man nix machen. Die Brandschutzvorschriften sind halt verschärft worden. Kein Wunder, dass man da anfängt, sich nach dem Machtwort eines Monarchen zu sehnen: »Les Brandschutzvorschriften, c’est moi!«
Der Raddampfer, auf dessen Oberdeck wir immer noch sitzen, hat mittlerweile seinen Zwischenstopp an der Herreninsel beendet. Sämtliche vom Schlossbesuch noch sichtlich beseelten Asiaten sind an Bord, die Gangway aus Aluminium wird rumpelnd zurück auf den Steg gezogen, die Schiffssirene gibt ein kurzes Signal, die Schaufelräder beginnen, sich wieder zu drehen. Rückwärts paddelt der Raddampfer zurück in den See, wendet und nimmt Kurs auf die Fraueninsel, deren bullig wirkender Klosterturm rasch größer wird.
Auch wenn sie von ihrer Ausdehnung um ein Vielfaches kleiner ist als ihre große Schwester Herreninsel, drängen sich auf der Fraueninsel fast zwanzig mal mehr Einwohner, und an schönen Tagen kommt dazu noch mal ein Zigfaches an Touristen. Man spürt’s, wenn man sich im Sommer auf schmalen Wegen im Menschenstau um die Insel quält oder im Dezember auf dem Christkindlmarkt in Ermangelung von freiem Platz kaum mehr sein Glühweinglas an den Mund bewegen kann. Von den Querelen der Inselbewohner untereinander – nimmt man die Nonnen des Klosters Frauenwörth einmal aus – kann man auch im fernen München hin und wieder in der Zeitung lesen: Wenn man zum Beispiel auf dem idyllischen Eiland jahrelang über den Neubau eines Stegs diskutiert oder dem Nachbarn den Seeblick nimmt, indem man ihm ein neues Haus vor die Nase setzt. Aber wer will so was den Insulanern denn wirklich verübeln? Bei jedem zusätzlich bebauten Quadratmeter klingelt die Kasse, denn die Mieten auf der Insel haben inzwischen Münchner Niveau erreicht.
Ebenso wie die
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