Dahoam is ned dahoam - Bayerische Ein- und Durchblicke
einer Kunstpause spitz nachzuschieben: »Koost ruhig Boarisch mit mia re’n.«
Meine nachgeschobene Einlassung, ich würde halt so reden, wie ich rede, hätte ich mir genauso gut schenken können, denn der Damm war schon gebrochen.
Von »Glaabst mir verstengan di ned« über »Boarisch is doch a scheene Sproch« bis zu »Do bei uns wead Boarisch g’red« reichten die Texte, die nun in einer Art Heimatkunde über mich ausgeschüttet wurden und die schnell in den Verdacht mündeten, ich könne wahrscheinlich gar kein richtiges Bayerisch mehr, hätte mir nur das nötige Bühnen-Bayerisch angelernt, schließlich käme ich ja aus München, und da gäbe es ja schon lange keine Münchner mehr.
Zur Sicherheit wurde noch ein kleiner Vokabeltest hinterhergeschoben, der von »Oachkatzlschwoaf« bis »Mistpritschn« alles umfasste, was mein eingeborenes Gegenüber für identitätsstiftend und ursprünglich hielt. Die Auswahl der Vokabeln war ungefähr so originell, wie wenn man einem professionellen Schüttelreimer den ausgetretenen Bergspruch »I gang so gern auf d’Kampenwand, wenn i mit meiner Wamp’n kannt« als Geheimtipp an die Hand geben will.
Ich kontere derartige Einbürgerungstests gerne mit dem Wort »Fitriojeji«, was ins Deutsche übertragen »Vitriolöl« heißt und das alte Wort für »Schwefelsäure« ist. Das überfordert den Landhausbayern dann meist und der Lokalchauvinismus hat ein Ende.
Ich gebe zu, nicht zuletzt durch den landeseigenen Fernsehsender ist das Kabarett in Bayern Teil der Folklore geworden, aber die Fassungslosigkeit darüber, dass ein bayerischer Kabarettist privat nicht so redet, als wären seine Hauptansprechpartner oberbayerisches Fleckvieh und sein Horizont der nächstgelegene Misthaufen, ist schon erstaunlich.
Der Schwabe Theo Waigel hat einmal gesagt, die Oberbayern sähen Bayern als einen eigenen Kontinent an, der mit seinen Nachbarn nicht viel zu tun haben wolle. Ich glaube jedoch, es ist eher eine eigene Welt, in der sich die Oberbayern sehen, eine heile noch dazu, eine perfekte, reine, gute und makellos schöne, in der alles Böse von außen kommt und von Nicht-Bayern wie ein Virus eingeschleppt wird. Und gläubig, wie sie sich gerne geben, halten sie es frei nach Matthäus (nicht Lothar, sondern dem Evangelisten) und denken sich: An ihren Worten sollt ihr sie erkennen.
»Koost ruhig Boarisch für mi schrei’m«
von Thomas Merk
Ein harter Schnitt. Vom Chiemsee an einen norwegischen Fjord. Ich erinnere mich an ein Erlebnis in einem jener riesigen norwegischen Supermärkte, wo ich im Kühlregal nach dem Milchkarton der staatlichen Molkerei Tine greife, ihn in meinen Einkaufswagen stelle und erst an der Kasse erschreckt feststelle, dass ich statt Milch Molke gekauft habe: Auf dem Karton, der täuschend echt seinen bisher auf dieser Reise gekauften Brüdern ähnelt, steht plötzlich nicht mehr »melk« – Milch –, sondern »mjölk«, was ja wohl Molke heißen muss, oder?
Nein, heißt es nicht. Und es handelt sich auch nicht um einen versehentlich durch die Endkontrolle geschlüpften Exportkarton für ein skandinavisches Nachbarland. Ich bin lediglich in die norwegische Sprachenfalle getappt, was in einem Land, das sich seit über hundert Jahren den Luxus von zwei Landessprachen leistet, schon mal vorkommen kann. In der einen Landessprache – »bokmål« genannt – heißt Milch »melk« und in der anderen, »nynorsk«, wird sie »mjölk« genannt.
Wie kommt’s? Ganz einfach. Als 1814 im damals noch zu Dänemark gehörenden Norwegen eine nationale Bewegung aufkam, wurde rasch klar, dass ein eigener Staat auch eine eigene Sprache braucht. Und weil in dem seit vielen Jahrhunderten mit Dänemark zwangsvereinigten Norwegen eine solche nicht mehr existent war, machten sich zwei Sprachwissenschaftler ans Werk und erfanden – unabhängig voneinander – jeder eine eigene Landessprache. Der eine suchte in entlegenen Fjorden die letzten Reste norwegischer Dialekte zusammen und mischte daraus sein Neu-Norwegisch, der andere norwegisierte das damals im Land gesprochene Dänisch, indem er Vokale veränderte und sich eine neue Grammatik ausdachte.
Hochinteressant, aber was hat das alles in einem Diskurs über das »Boarisch Re’n« zu suchen? Nun ja, manchmal wünsche ich mir, nicht nur in dieser Hinsicht übrigens, eine Norwegisierung Bayerns. Dass jemand loszieht und aus den immer stärker schrumpfenden Resten unserer Dialekte ein Bayerisch zusammenbraut, eine verbindliche
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