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Daisy Goodwin

Daisy Goodwin

Titel: Daisy Goodwin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eine englische Liebe
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aufhielt.
    «Miss
Jackson, Miss Jackson, dieses Paket ist für Sie angekommen.» Er schüttelte es.
«Ich glaube, es kommt aus Amerika.»
    Bertha nahm
ihm das Paket ab. Es war mehrmals umadressiert worden, war erst nach New York
geschickt worden, dann nach London und jetzt hier nach Dorset. Der Absender
war Reverend Caleb
Spragge, South Carolina. Sie bekam einen trockenen Mund, nahm
das Paket mit ins Bügelzimmer und legte es auf den Tisch. Sie fand eine
Schere, schnitt den dicken Bindfaden durch, mit dem es verschnürt war, und riss
an dem braunen Papier. Darunter stieß sie auf einen ungefähr zwei Fuß langen
und einen Fuß breiten Pappkarton. Bertha hörte das geschäftige Klappern der
Hausmädchen, sie wollte so gerne zu ihnen, sie wollte den Karton nicht öffnen.
Aber dann sah sie die vielen weiteren, kompliziert geknoteten Bindfäden und
wusste, dass sie nicht ignorieren konnte, was sich darin befand.
    Sie hob den
Deckel und sah einen Brief und etwas, das aussah wie Kleidung in Seidenpapier.
Sie öffnete den Brief, er trug das Datum 12. März – vor vier Monaten.
    Meine
liebe Bertha,
    mit großem
Bedauern muss ich Dir mitteilen, dass Deine Mutter gestern verstorben ist. Sie war seit einiger Zeit kränklich, und ich glaube, dass sie am Ende froh war, zu ihrem Schöpfer zu kommen. Sie hat oft von Dir gesprochen und oft gesagt, wie stolz sie ist, dass Du Deinen Platz in der Welt gefunden
hast. In den letzten Monaten
hat sie angefangen, Dir
diesen Quilt zu machen. Sie hat ihn ein oder zwei Tage vor ihrem Tod fertiggestellt. Es war ganz offensichtlich ein
Liebesdienst.
    Es tut mir leid, dass ich der Überbringer so schlechter Nachrichten bin, lass Dich von dem Gedanken trösten, dass Deine Mutter jetzt in einer besseren Welt ist.
    Herzlich,
Dein Freund
    Caleb
Spragge
    Bertha lehnte sich für einen Moment an den
Tisch. Als sie nach England ging, hatte sie ja gewusst, dass sie ihre Mutter
nie wiedersehen würde, aber von dem tatsächlichen Verlust wurde sie ganz
schwach. Sie schlug das Seidenpapier zurück und nahm den Quilt heraus.
    Er war gar
nicht besonders groß, ungefähr so wie der Tisch, der in der Hütte stand,
insgesamt waren es zwölf Quadrate, drei auf vier, die um ein Motiv in der
Mitte herum ineinander verschränkt waren. Sie spürte einen Stich im Herzen,
als sie die blau-weiß gestreifte Baumwolle des Rocks ihrer Mutter erkannte und
daneben ein Stück des Paisley-Schals, den Bertha ihr geschickt hatte. Jedes
Quadrat war ein Andenken an das Leben, an das sie sich nur noch vage erinnern
konnte, ein verblichener Streifen eines Kittels, ein Stück von einem Mehlsack,
auf dem die Buchstaben Ashs
feinstes Me zu
lesen waren. Bertha erkannte in der Mitte das Rotweiß des
Kopftuchs, mit dem ihre Mutter sich die widerspenstigen Haare zurückgebunden
hatte. An einigen Stellen waren die Quadrate mit kleinen, gleichmäßigen
Stichen zusammengenäht, aber an anderen waren die Stiche unregelmäßig, als
hätte ihre Mutter verzweifelt versucht, noch rechtzeitig fertig zu werden. Sie
wollte ihrer Tochter eine Nachricht schicken und nicht gehen, ehe sie fertig
war. Sie konnte weder lesen noch schreiben, also war dieser Quilt ihr letzter
Wille und ihr Testament, ihr Abschiedsgeschenk für ihr einziges Kind. Bertha
hielt ihn an ihr Gesicht und spürte die Hände ihrer Mutter auf dem warmen,
weichen Gewebe. Zum ersten Mal, seit sie South Carolina verlassen hatte, gestattete
sie sich zu weinen.
    Eine Glocke
erklang, und Mabel kam herein.
    «Die
Herzogin ist unten, Miss Jackson. Sie werden gewünscht.» Sie sah Berthas
Gesicht und blieb stehen. «Alles in Ordnung? Schlechte Nachrichten?», fragte
sie, begierig auf Einzelheiten.
    Bertha nickte. «Ja, schlechte
Nachrichten, aber es ist schon lange her.»
    Sie faltete den Quilt sorgfältig
zusammen, schlug das Seidenpapier darum und ging nach oben in ihre Kammer, wo
sie ihn ausbreitete. Erst dann ging sie hinunter zu Miss Cora.
    Cora saß auf der Fensterbank, als
Bertha hereinkam, das Gesicht gegen das Glas gedrückt. Sie hatte die Haare
gelöst, die ihr rostrot über die Schultern fielen. Sie sah nicht aus wie eine
Herzogin, dachte Bertha.
    «Oh, da bist du ja. Ich habe solche
Kopfschmerzen, Bertha.» Ihre Stimme klang dünn und unsicher.
    Bertha gab etwas Eau de Cologne auf
ein Tuch und hielt es Cora an die Schläfe.
    «Danke.» Cora sah einen Moment zu
ihr auf, als überlege sie, und fragte dann: «Bertha, warst du jemals verliebt?»
    Bertha erstarrte, worauf würde

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