Daisy Goodwin
das
hinauslaufen? «Kann ich nicht sagen, Miss Cora.»
Cora schüttelte den Kopf. «Na, hast
du jemals jemanden gekannt, der nett und gemein war, der in der einen Minute
alles dafür tut, dass man ihn liebt, und sich in der nächsten so verhält, dass
man ihn hassen muss? Bei dem man sich wunderbar und furchtbar fühlt und nie
weiß, welches von beiden als Nächstes dran ist?»
Cora wickelte ihre Haare so fest um
ihre Finger, dass sie ganz weiß wurden. Bertha dachte, dass der einzige Mensch,
auf den Miss Coras Beschreibung zutraf, Miss Cora selbst war – sie beherrschte
es ganz ausgezeichnet, gleichzeitig nett und gemein zu sein. Aber diesen
Gedanken konnte sie nicht äußern. Sie wusste, dass ihre Herrin über den Herzog
sprach, also hielt sie ihre Antwort so allgemein wie möglich.
«Ich vermute, die Welt ist voll
unbeständiger Leute, Miss Cora.»
«Oh, aber er ist nicht unbeständig,
Bertha, es ist, als wollte er mich aus dem Gleichgewicht bringen.» Cora unterbrach
sich. «Ich sollte nicht mit dir darüber reden, du bist meine Zofe, und er ist
mein Ehemann, aber ich weiß nicht mehr, was ich glauben soll.» Bertha sah, dass
einer von Miss Coras Fingern langsam blau wurde und sie ihn langsam aus ihrem
Haar löste.
«Warum sprechen Sie nicht mit Mrs.
Cash? Sie weiß über die Ehe sehr viel mehr als ich, Miss Cora.»
«Oh, das habe ich versucht. Mutter
möchte einfach nur eine Herzogin zur Tochter haben. Wie es mir dabei geht, ist
ihr ganz egal.» Cora stieß ihren Kopf gegen die Scheibe.
Bertha konnte nichts sagen, denn sie
wusste, dass es stimmte.
«Ich weiß einfach gar nicht mehr,
wer Ivo ist. Manchmal denke ich – nein, ich weiß es –, dass er
mich liebt, aber im nächsten
Moment ist er ein ganz anderer. Gestern Abend, direkt bevor Odo diese Szene gemacht
hat, habe ich zwischen Ivo und Charlotte etwas gespürt. Ich weiß, da ist etwas, ein Gefühl, zu dem ich nicht
gehöre. Und doch glaube ich Ivo, wenn er mir sagt, dass er mich liebt. Aber er
kann uns doch nicht beide lieben, oder?» Flehend sah sie Bertha an, als könnte
die Antwort der Zofe ihr Schicksal entscheiden.
Bertha wollte die Sorge von Coras
Gesicht wischen, aber sie konnte sie nicht belügen. Sie wusste, dass Jim
ärgerlich sein würde, wenn sie das jetzt tat, aber sie durfte nicht einfach
danebenstehen, wenn Miss Cora sich so quälte.
«Miss Cora, wenn ich Ihnen etwas
sage, versprechen Sie, nicht wütend auf mich zu werden?»
Bertha setzte sich auf die
Fensterbank, ihrer Herrin gegenüber,
sodass sie ihr direkt in die Augen sehen konnte. «Natürlich, warum sollte ich
wütend auf dich werden?»
«Weil Ihnen nicht gefallen wird, was ich zu sagen
habe.Soll ich
weitersprechen?»
«Ja, ja, ich verspreche es, schon
weil nichts, was du sagen könntest, schlimmer ist als das, was ich mir schon
vorgestellt habe.» Eine Träne rollte aus Coras Auge, aber sie schien es nicht
zu bemerken.
Bertha nestelte an ihrem Mieder und
holte Jims Perle aus ihrem Versteck an ihrem Herzen.
«Erkennen Sie die, Miss Cora?»
Cora nahm die Perle und rollte sie
in ihrer Hand herum. «Sie sieht aus, als gehörte sie zu meiner Kette, aber das
kann sie nicht, es sei denn, jemand hat sie zerrissen ...» Alarmiert schaute
sie zu ihrem Frisiertisch hinüber.
«Nein, Ihre Kette ist noch heil.
Diese Perle stammt von einer anderen Kette, die aussah wie Ihre.»
Cora prüfte mit den Zähnen die
Perle. «Echt ist sie, aber was hat das mit mir zu tun?» Sie hielt die Perle in
der einen Hand und rieb sich mit der anderen den Hals, dort, wo die Kette sonst
lag. Sie dachte daran, wie Ivo sie ihr an jenem Nachmittag in Venedig umgelegt
hatte.
«Ich kann Ihnen nur sagen, Miss Cora
– und es tut mir leid, dass ich diejenige sein muss –, dass Lady Beauchamp eine
Kette aus genau solchen schwarzen Perlen hatte. Sie ist eines Abends zerrissen,
als wir in Sutton Veney waren und ich ...» Bertha unterbrach sich; sie wollte
Cora nicht wissen lassen, dass Jim die Perle gestohlen hatte. «Es war an dem
Abend, an dem Sie von der Jagd nicht zurückkehrten. Sie trug die Kette beim
Dinner, und sie ist zerrissen. Sie hat wohl alle Perlen wieder aufgesammelt,
nur diese nicht.»
Cora sprach
langsam, als versuche sie die Dinge in ihrem Kopf zus ammenzubringen.
«Willst du damit sagen, Ivo hat Charlotte die gleiche Kette geschenkt?» Sie
runzelte die Stirn.
«Ja, das
hat er.»
Cora stand auf und ging zum
Frisiertisch. Sie nahm die Kette aus ihrem grünen Saffianlederkästchen.
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