Daisy Goodwin
und ließ ein weiches Glissando erklingen. Er
sah zu ihr auf. «Und Sie, Miss Cash, spielen Sie gerne?» Auf die Frage folgte
ein kleines Arpeggio.
«Ja», sagte sie bestimmt, «das tue
ich.» Sollte die Frage als Herausforderung gedacht sein, würde Cora sie
annehmen.
«Nun, wie wäre es dann mit ein wenig
Schubert?» Er stand auf und durchsuchte die Notenstapel, die auf dem Boden
lagen, bis er das Stück gefunden hatte, das er suchte. Er setzte sich an den
Flügel und bedeutete ihr, sich neben ihn auf den Hocker zu setzen. Sie ging
langsam auf ihn zu, in dem Bewusstsein, dass sie nicht mehr richtig gespielt
hatte, seit sie Newport verlassen hatte, und hoffte, das Stück, das er
ausgewählt hatte, war nicht zu schwierig.
Der Herzog deutete auf das Blatt und
fragte: «Welche Stimme möchten Sie spielen?»
Cora fühlte
Panik in sich aufsteigen. Die ganze Seite war voller Sechzehntel. Etwas
Leichtes hatte er jedenfalls nicht ausgesucht. Die untere Stimme wirkte
geringfügig langsamer, und sie zeigte darauf.
Als sie sich neben ihn setzte, war
sie angespannt. Aber er achtete darauf, sie nicht zu berühren. Er legte seine
Finger auf die Tasten, und sie tat es ihm gleich.
«Wenn Sie
bereit sind, Miss Cash.»
Cora nickte und fing an. Ihre Stimme
begann cantabile sostenuto, und nach ein paar Takten setzte die obere Stimme
mit der Melodie ein. Sie spielte zuerst leise, in der Hoffnung, dass ihre
Fehler nicht so auffielen, aber dann wurde sie selbstbewusster, und ihre Stimme
schwoll an und vereinte sich mit der Melodie der oberen Stimme, und plötzlich
spielten sie zusammen – ihre Hände umspielten sich im kunstvollen Tanz der
Noten. An einer Stelle griff die linke Hand des Herzogs über ihre rechte Hand,
und sie spürte die Hitze seiner Hand über ihrer wie eine Flamme. Aber sie
konnte es sich nicht erlauben, sich ablenken zu lassen; um das Stück angemessen zu spielen, brauchte Cora ihre ganze Konzentration. Der Schubert war etwas schwerer
als das, was sie normalerweise spielte, aber ihr Wunsch, nicht zu versagen,
bewirkte, dass sie so gut spielte wie noch nie in ihrem Leben. Als die Musik
ihr Finale erreichte, folgten in beiden Stimmen mehrere Akkorde
hintereinander, und zu ihrer Überraschung spielten sie sie
vollkommen gleichzeitig. Ohne nachzudenken, suchte ihr Fuß nach dem Pedal, um den Abschlussakkord zu halten, nur
um festzustellen, dass sich dort schon der Fuß des Herzogs befand. Sie zog
ihren Fuß weg, aber er hatte den Druck gespürt und wandte sich ihr lächelnd zu.
«Es tut mir leid, ich hätte vorher
mit Ihnen über das Pedal sprechen müssen. Es ist lange her, dass ich zuletzt
ein Duett gespielt habe.»
«Bei mir auch. Und ich habe noch nie
mit jemandem gespielt, der so gut ist wie Sie.»
«Bei Duetten geht es nicht um die
Fähigkeiten des Einzelnen, sondern um die Beziehung der beiden Spieler zueinander.
Das Ganze muss mehr sein als die Summe seiner Teile.»
«Und haben wir das geschafft?» Cora
hatte die Frage gestellt, ehe sie sich daran hindern konnte.
«Vielleicht ist es noch etwas zu
früh, um das zu sagen, aber im Großen und Ganzen werden wir es sehr gut machen.
Sollen wir den zweiten Satz versuchen?»
Aber Cora wusste, dass sie sich
jetzt zurückziehen musste. Keinesfalls wollte sie doch noch versagen. «Ich
glaube, bisher habe ich vor allem Glück gehabt. Ich möchte üben, ehe wir wieder
spielen.»
Der Herzog lächelte. «Wie Sie
wünschen, Miss Cash. Aber wie gesagt, wir werden es sehr gut machen.»
Als Cora den Raum verließ, hörte
sie, wie er noch einmal die Waldsteinsonate spielte. Offensichtlich ein
Lieblingsstück. Während sie ihm zuhörte, fiel ihr wieder ein, was er über
Beethovens Suche nach Erfüllung gesagt hatte.
An diesem Abend wartete sie darauf,
dass der Herzog eine Bemerkung über ihr Zusammentreffen im Musikzimmer machte,
aber er war so höflich und distanziert wie am Vorabend. Wieder überlegte sie,
ob sie Lulworth nicht besser verlassen sollte. Dann fragte er sie nach dem
Dinner im Salon, ob sie am nächsten Vormittag gern einen Rundgang durchs
Schloss machen würde. Cora hätte es vorgezogen, ihm sein hochmütiges Verhalten
mit einer Zurückweisung zu vergelten, aber sie wusste nicht, wie sie das
machen sollte, ohne ungehobelt zu erscheinen. Ihre Mutter hatte den Wortwechsel
gehört und versuchte anschließend mit ihr zu reden, aber Cora entkam ihr. Sie
wollte nicht über den Herzog sprechen, sie war sich über die Art ihrer Gefühle
für ihn nicht im
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