Daisy Goodwin
Klaren. Also ging sie früh zu Bett und schlief unruhig. In
der Nacht wachte sie auf und zitterte bei dem Gedanken daran, wie der Herzog
sie übersehen hatte, als sie das erste Mal die lange Galerie betreten hatte.
Sie musste erst genau darüber nachdenken, was sie an den folgenden Tagen
tragen würde, welche Schuhe zu welchen Handschuhen passten, welche Hüte zu
welchen Kleidern, ehe sie die nötige Ruhe fand, um wieder einschlafen zu
können.
KAPITEL 8
Wir haben einen Rubens
Als Hausmädchen für die niederen
Dienste begann Mabel Bugler ihren Arbeitstag um fünf Uhr morgens. Es war noch
dunkel, weshalb sie sich im Licht der Kerze von gestern Abend anziehen und
waschen musste. Ihre Hände waren rot und rissig, ihre Knöchel vom jahrelangen
Schrubben geschwollen. An diesem Morgen war es nicht so kalt, dass sie im
Waschnapf eine Eisschicht hätte durchbrechen müssen, aber dennoch konnte Mabel
ihren Atem in frostigen Wölkchen entweichen sehen.
Für
gewöhnlich blieb sie noch für kostbare fünf Minuten liegen, ehe sie aufstand.
Aber Iris war zur Beerdigung ihrer Mutter nach Hause gefahren, es war also
niemand da, der dem Bett zusätzliche Wärme verliehen hätte, niemand, mit dem
man über die Aufgaben hätte sprechen können, die der bevorstehende Tag mit sich
brachte. Aber Iris' Abwesenheit bedeutete immerhin, dass Mabel mehr Zeit als
sonst vor dem winzigen rechteckigen Spiegel über der Kommode hatte, um ihre
Haube so auf ihrem braunen Haar zu richten, wie es sich schickte. Auf dem
Stuhl lag die dicke halbleinene Schürze, die sie morgens trug, um Feuer zu
machen, aber Mabel griff nach der leichten Baumwollschürze, die sie nachmittags
trug, und band sie um ihre Taille. Sie wollte so hübsch aussehen wie möglich.
Als Mabel den Herzog das erste Mal
im Morgenmantel vorgefunden hatte – er hatte am Fenster gesessen und aufs Meer
geblickt –, hatte sie sich erschrocken. Als er noch Lord Ivo gewesen war, war
er kein Frühaufsteher gewesen, es sei denn, er war auf die Jagd gegangen, aber
inzwischen hatten sich die Dinge geändert. Ihre Aufgabe war es, in den
Schlafräumen Feuer zu machen, ohne die Bewohner zu wecken. Hausmädchen für die
niederen Dienste sollten mit der Familie nichts zu tun haben. Die
Haushälterin hatte ihr gesagt, dass sie sich zur Wand wenden solle, wenn sie in
einem der Flure einen von ihnen traf. Es hätte ihr unter den Hausmädchen, die
sich endlos über die Familie unterhalten konnten, einiges Ansehen eingebracht,
wenn sie verraten hätte, dass der Herzog inzwischen beim ersten Hahnenschrei
aufstand, aber sie hatte nichts gesagt. Die stille Audienz beim Herzog war
Mabels Talisman, das Gegenmittel für ihre schmerzenden Knie und ihre brennenden
Hände. Am Anfang hatte es sie ganz unruhig gemacht, das langwierige Ritual des
Ascheentleerens und Gitterpolierens in Anwesenheit des Herzogs durchzuführen,
der so still dasaß. Einmal hatte sie den Schürhaken auf den marmornen
Kaminboden fallen lassen; der Lärm war ohrenbetäubend gewesen, es war ihr
vorgekommen wie das Lauteste, das sie je gehört hatte, aber der Herzog hatte
sich kaum gerührt.
Er saß auch
an diesem Morgen am Fenster. Sie fragte sich, was er so angestrengt
betrachtete. Da draußen war nichts zu sehen, nur die grünen Hügel, die zum Meer
hinunterführten.
Mabel baute aus dem Anmachholz eine
ordentliche kleine Pyramide, die in Flammen aufging, sobald sie ein Streichholz
daran hielt. Sie sammelte all ihre Gerätschaften zusammen – den starren
Kaminbesen, die Dose mit Schwärze, die Streichhölzer – und legte sie zurück in
ihre Arbeitskiste; sie wischte sich die
Hände an der Schürze ab und stand langsam auf, wobei ihre Knie knirschten.
Der Herzog
sagte leise: «Danke, Mabel.»
Mabel hätte fast den Ascheimer
fallen lassen. Sie machte so etwas Ähnliches wie einen Knicks und murmelte:
«Euer Gnaden.»
Er hatte sie vorher noch nie
angesprochen, und er kannte sogar ihren Namen. Sie spürte, wie sie puterrot
wurde, und verließ das Zimmer, so schnell sie konnte. Sie stand mit klopfendem
Herzen im Korridor, ihre Hände vom Schweiß ganz klebrig. Sie lehnte sich gegen
die Wand und schloss die Augen. Der Herzog kannte ihren Namen. Sie fühlte sich wie
eine Figur in einer Geschichte aus Feg's Paper. Er hatte sie
wahrgenommen; bestimmt war das ein Anfang von etwas.
Ihre Träumerei wurde von Betty
unterbrochen, die aus dem Schlafzimmer von Miss Cash kam.
«Was machst du denn hier, Mabel?»,
flüsterte sie grimmig.
Weitere Kostenlose Bücher