Daisy Sisters
auf Besserung ist. Aber er lässt grüßen. Großmutter natürlich auch.«
»Und mit ihr ist alles in Ordnung? Mit Großmutter?«
»Mit ihr ist nie etwas.«
Elna macht ihr Bett auf dem Sofa zurecht. Sie hat sich ein Laken mitgebracht, das sie Eivor dalassen wird.
Da Eivor am nächsten Morgen zeitig aufstehen muss, gehen sie schon gegen zehn Uhr schlafen. Eine Straßenlaterne scheint durch die gardinenlosen Fenster herein. Eivor schläft, sobald sie sich hingelegt hat, aber Elna bleibt wach und lauscht auf die Atemzüge ihrer Tochter …
Als Eivor am nächsten Tag von der Arbeit zurückkommt, hängen Gardinen an allen Fenstern, und Elna hat auch die Küche gestrichen. Sie ist gerade erst fertig geworden, und die Küche leuchtet in einer meerblauen Farbe, die noch nicht getrocknet ist.
Eivor sieht, dass die meerblaue Farbe zur Küche passt, aber sie kann sich nicht freuen. »Ich habe doch weiß gesagt, verdammt noch mal …«
»Du siehst doch wohl, dass blau gut passt«, antwortet Elna, und Eivor möchte am liebsten weinen, aber dann sieht sie, dass ihre Mutter richtig ängstlich ist, und zum ersten Mal in ihrem Leben tut sie ihr leid. Wie sie da mit dem Malerpinsel steht, wirkt sie wehrlos und klein, grau und entschuldigend, wie eine weibliche Chaplinfigur.
»Wie hast du das nur geschafft«, sagt sie ausweichend und denkt, dass sie sie wohl umarmen sollte. Aber auch das fällt ihr schwer.
»Es hat einfach Spaß gemacht«, antwortet Elna. »Wie gefallen dir die Gardinen? Rate, was sie gekostet haben.«
»Ich mach jetzt Essen«, sagt Eivor, zieht ihren Mantel aus und verschwindet in der Küche, während Elna ins Badezimmer geht und ihre Hände und den Pinsel wäscht.
Braune Bohnen mit Speck. Eivor serviert auf angeschlagenen Tellern, die auch aus der Auktion stammen. Als sie sich gesetzt haben, schellt es an der Tür, und als Eivor öffnet, steht Liisa in der Tür.
»Meine Mama ist da«, sagt Eivor.
»Das hatte ich vergessen«, sagt Liisa, kommt aber herein.
Eivor holt noch einen Teller aus der Küche, und Liisa lehnt nicht ab mitzuessen. Eivors Gefühle sind widersprüchlich. Einerseits will sie Elna ihr neues Leben vorführen, andererseits möchte sie es für sich behalten.
Und natürlich läuft es nicht gut. Elna wird unsicher in Liisas Nähe und fällt in die Unart zurück, die nach Eivors Auffassung die schlimmste von allen ist: Geschwätzigkeit. Eivor erlebt ihre Freundlichkeit gegen Liisa als einschmeichelnd, ihre Art zu antworten als altmodisch. Aber Liisa fühlt sich sofort wohl in Elnas Gegenwart.
»Warum bist du so still, Eivor«, sagt Liisa und gießt sich mehr Milch aus der ersteigerten Kanne ein.
»Das bin ich doch gar nicht«, sagt sie.
»Doch, das bist du«, sagt Elna.
Aber Elna fragt weiter, nach Finnland und Tammerfors, kalten Wintern und tausend Seen. Liisa ist offenbar amüsiert und will im Gegenzug alles über Hallsberg wissen.
Eivor beginnt abzudecken und bleibt möglichst lange in der Küche. Zwischen den blauen Wänden …
»Jetzt trinken wir noch Kaffee«, sagt Elna.
»Ich werde gehen«, sagt Liisa. »Ich hab nur mal vorbeigeschaut.«
»Einen kleinen Kaffee trinken Sie wohl noch mit«, sagt Elna.
»Nein, danke«, sagt Liisa. »Ich muss nach Hause.«
Und dann geht sie.
»Nettes Mädchen«, sagt Elna.
»Du hast eine Scheiße zusammengeredet«, sagt Eivor.
Elna erstarrt auf dem Weg zur Küche. »Was meinst du?«, sagt sie.
Eivor sieht, dass sie verwundert ist. Aber was kann sie schon begreifen? »Du hörst doch, was ich sage! Du warst ja dabei, sie totzuquatschen.«
Elna steht da und schaut ihre Tochter lange an. Dann geht sie hinaus in die Küche, und erst als sie zurückkommt, antwortet sie. »Weißt du«, sagt sie. »Ich glaube keinesfalls, dass ich sie totgequatscht habe. Sie hat es bestimmt nicht so aufgefasst. Aber du bist kaum zu Wort gekommen. Und das erträgst du wohl nicht.«
»Du bist ja nicht gescheit«, sagt Eivor und ballt die Hände.
»So sprichst du nicht mit mir. Dass du es nur weißt.«
»Ich sage genau das, was ich will.«
»Nicht zu mir.«
»Verdammtes Weib!«
Stille ist nicht dasselbe wie Ruhe. Elna steht da und sieht aus, als hätte ihr jemand ins Gesicht geschlagen; eine Ohrfeige von einem Menschen, von dem sie eine Umarmung erwartet hatte.
Und Eivor starrt auf die schmutzige Tapete, bis sie schließlich das Schweigen bricht, mit kaum hörbarer Stimme. »Mutter«, sagt sie. »Ich will hier meine Ruhe haben. Das ist mein Leben, meine
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