Daisy Sisters
ist er stehen geblieben und hat mit mehreren anderen Gästen geredet, und Eivor sieht an deren forschenden Blicken, dass sie ein fremdes Wesen in diesem Milieu ist, ein junger Kuckuck auf Tour.
»Zwei Starkbier«, sagt er, als die Bedienung kommt. Die sieht Eivor fragend an.
»Sie ist achtzehn«, sagt Anders. »Dafür garantiere ich.«
Eivor errötet vor Ärger. Sie weiß schließlich, dass sie älter als achtzehn aussieht.
»Sie hat dich ja vorher noch nicht hier gesehen«, sagt er und zündet seine Pfeife an. »Sie sind manchmal etwas kleinlich.«
»Wie ging’s denn heute?«, sagt sie, um so schnell wie möglich von dem Vorfall abzulenken.
»Ganz gut, glaube ich. Die Note ist gerettet.«
Das Bier wird gebracht, ein junger Mann namens Sten bleibt am Tisch stehen und wiederholt beinahe wörtlich Eivors Frage. Aber die Antwort fällt ganz anders aus. »Ich weiß nicht. Hätte besser sein können. Das hier ist Eivor, übrigens.«
»Gehst du auf die Mädchenschule?«
»Sie hat eine Wohnung von uns gemietet.«
»Ach so. Na ja. Ja, wir sehen uns morgen. Tschüss …«
Anders nickt ihm nach. »Er wird Arzt werden«, sagt er. »Das hat er beschlossen, als er sieben Jahre war, und er hat den Vorsatz bis heute nicht geändert.«
»Sein Papa ist dann wohl auch Arzt?«
»Die Mama auch.«
»Und du?«
»Ich weiß nicht. Jurist vielleicht. Wenn ich nicht Schriftsteller werde, ich habe mich noch nicht festgelegt. Willst du noch ein Bier?«
»Ich glaube nicht.«
»Klar willst du noch ein Bier. Fräulein …«
Er bestellt noch zwei Starkbier.
Arzt. Jurist. Schriftsteller . Hat Liisa deswegen so verächtlich gelächelt? Tja, sie hatte sicherlich einen Grund …
»Woran denkst du?«, fragt er.
»Nichts«, sagt sie.
»Prost dann!«
»Ja. Prost.«
Dann fragt er, ob sie Lust habe, ein bisschen mit zu ihm nach Hause zu kommen. Er hat noch ein paar Leute eingeladen, sie wollen Tee trinken und ein bisschen Musik hören. Nichts Besonderes.
Sie will nicht, aber sie ist es leid, die ganze Zeit Nein zu sagen.
»Fährt da ein Bus?«, fragt sie.
»Wir nehmen natürlich ein Taxi«, sagt er.
»Ich meine, zu mir nach Hause«, sagt sie.
»Das ergibt sich alles«, sagt er. »Aber wir trinken wohl erst noch ein Bier, bevor wir gehen.«
»Danke«, sagt sie.
Er bittet den Garderobier, ein Taxi zu rufen, und als sie auf die Straße kommen, steht es bereits da und wartet. Er ist weiterhinartig, öffnet die Tür für sie und steigt selbst von der anderen Seite ein. Es ist das erste Mal, dass sie Taxi fährt, seit sie nach Borås gekommen ist, aber das sagt sie natürlich nicht.
»Ich habe ein eigenes Auto«, sagt er. »Einen Morris. Aber gerade jetzt ist er in der Werkstatt.«
Als sie angekommen sind, sieht sie, dass die Fahrt elf Kronen gekostet hat. Das ist mehr, als sie an einem halben Tag verdient. Außerdem gibt er zwei Kronen Trinkgeld, und das wäre fast noch einmal eine Stunde Arbeit.
Das Haus ist leer, nicht einmal das Dienstmädchen ist da.
»Wann kommen die anderen?«, fragt sie.
»Bald«, sagt er und hilft ihr aus dem Mantel.
Dann zeigt er ihr das Haus. Sie hat noch nie etwas Ähnliches gesehen. In einem Raum gibt es nur Blumen, in einem anderen nur Bücher. In der oberen Etage liegt sein Zimmer. Er öffnet eine Tür und zeigt, dass er ein eigenes Badezimmer hat. An der Wand hängen Bilder von nackt badenden molligen Frauen.
»Zorn«, sagt er. »Das dort ist Charlie Parker.«
Er zeigt auf eine Fotografie von einem Neger, der Saxofon spielt.
»Er ist der Beste«, sagt er. »Immer noch. Ich habe alles, was er gespielt hat.«
»Ja«, sagt sie.
Sie gehen nach unten in den großen Wohnraum, und er fragt, was sie zu trinken möchte.
»Wann kommen die anderen?«, fragt sie wieder.
»Jeden Moment«, antwortet er und holt Flaschen und Gläser aus einem großen Globus, dessen obere Halbkugel man abnehmen kann.
»Du bekommst, was du möchtest«, sagt er. »Ich trinke Gin und Grapefruit. Es gibt auch Tonic, wenn du das lieber magst.«
»Ja, danke«, sagt sie.
Er stellt den Plattenspieler an, und es klingt, als ob die Musiker im Raum wären.
»Dizzy«, sagt er. »Den magst du doch wohl?«
»Ich ziehe Elvis Presley vor«, sagt sie, und da lacht er. Nicht unfreundlich, nur nachsichtig.
»Den habe ich nicht«, sagt er und setzt sich neben sie aufs Sofa.
»Wann kommen die anderen«, fragt sie zum dritten Mal.
»Wir hören, wenn sie kommen«, sagt er. »Erzähl jetzt.«
»Worüber«, sagt sie.
Ȇber dich
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