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Daisy Sisters

Titel: Daisy Sisters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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spielen. Zwei Zugaben bieten sie, Ghostriders und ein Presley-Medley. Aber dann ist auf jeden Fall Schluss, wie sehr auch gemurrt wird. Draußen formieren sich die Schlachtschiffe, Gislaved hält den Atem an, und die Ordnungsleute können dreißig zerbrochene Stühle und vier eingeschlagene Fenster verbuchen. Das kann man verkraften.
    The Fantoms haben dem Samstagabend Leben verliehen, und es gibt keinen, der einen Gedanken daran verschwendet, jetzt aufzuhören. Es ist warm im Auto, sieben Personen, schade nur, dass nur zwei Bräute im Auto sind.
    Jemand vom Vordersitz weiß, dass es in Sexdrega eine Party gibt. Dahin ist es nicht weit, dreißig Minuten Fahrzeit, und es ist ja gerade erst zwei Uhr.
    Die Party findet in einem verfallenen Haus statt. Es ist eine richtig wüste Party. Drei Plattenspieler stehen im selben Raum und stoßen eine geistesschwache Kakofonie von Tönen aus. Tische, Stühle und Teppiche sind in eine Ecke gepackt, einige Partygäste tanzen noch, aber die meisten lehnen betrunken an den Wänden oder knutschen in dunklen Ecken.
    Der Mann, der neben Eivor im Auto gesessen hat, Nisse Talja, wie sie jetzt weiß, zieht sie mit sich in eine Ecke, hinter ein umgekipptes Sofa.
    »Jetzt bumsen wir«, sagt er.
    »Das werden wir sicherlich nicht«, sagt sie.
    »Warum nicht, verdammt noch mal?«, fragt er.
    »Meine Tage«, sagt sie.
    Und dabei bleibt es. Sie hat zwar nicht ihre Tage, aber esist ein effektives Mittel, eine Situation auszusteuern, aus der man sich sonst nur schwer herauswinden kann. Er hat sie den ganzen Abend über zu Branntwein eingeladen, er ist Mitbesitzer des Autos, in dem sie mitgefahren ist, er hat den Eintritt für sie in Gislaved bezahlt; nein, es wäre schwer geworden, sich ihm zu verweigern, zumal er schon mit einem Gummi gewedelt hat. Aber sie kommt nicht darum herum, ihn im Schritt zu reiben, fest und bestimmt, er steuert ihre Hand, und wenn sie nur nicht hinsehen muss, so macht es ihr nicht allzu viel aus …
    Im Morgengrauen erwacht Eivor davon, dass Annika zitternd vor ihr steht, aschgrau im Gesicht, müde nach der langen Nacht.
    »Wir fahren jetzt«, sagt sie. »Beeil dich, wenn du mitwillst …«
    Es wird schon hell, als sie nach Borås kommen. Der Fahrer bringt sie bis vor die Tür.
    »Bis später«, grunzen die, die noch im Auto sitzen. Das Letzte, was Eivor sieht, ist Annikas schlafendes Gesicht an einer der hinteren Scheiben.
    Nisse Talja trifft sie wieder, aber es wird nichts zwischen ihnen. Mit einem von denen, die auf dem Vordersitz saßen, Jörgen, lässt sie sich einen Monat lang ein. Er ist ziemlich schweigsam, außer wenn er trinkt. Dann brüllt er schlimmer als die anderen. Er ist jedoch nicht streitsüchtig, mit seiner Überheblichkeit vertuscht er, dass er schüchtern und verlegen ist, immer verschwitzte Hände hat. Aber ihn mag sie, und manchmal, wenn er Zeit hat – er arbeitet als Brotausfahrer – holt er sie bei Konstsilke ab.
    An einem Samstagabend bleiben sie zu Hause bei Eivor, und obwohl sie nicht will, kommt es doch dazu, dass sie miteinander schlafen, natürlich mit Gummi, und danach sind sie so verlegen, dass er es schließlich vorzieht zu verschwinden.Trotz des Gummis folgen vierzehn Tage der Unruhe, ein ständiges Zweifeln: wenn, falls etwa doch, obwohl …
    Aber schließlich bekommt sie ihre Menstruation wie gewohnt, und das macht sie auch sicherer. Wenn man nur aufpasst, dass sie sich schützen, dann muss nichts passieren. Dass sie nichts empfunden hat, schiebt sie auf ihr eigenes Unvermögen. Gott bewahre sie davor, als ungefällig abgestempelt zu werden, als Langweilerin. Die Angst, schwanger zu werden, ist nicht größer als die Angst, allein gelassen zu werden, nicht mit dabei sein zu dürfen, nicht im Auto mitgenommen, aus der Gemeinschaft ausgeschlossen zu werden.
    Eivor findet, dass sie wächst, und nach wenigen Monaten ist sie Teil dieser Stadt, die einmal wie eine uneinnehmbare Festung auf sie gewirkt hat.
    April und mildes, windiges Wetter. Die Vorahnung auf den Frühling kommt vom Skagerrak und den Ebenen Västgötas herüber. Der Rauch aus den Fabrikschloten steigt in den blauen Himmel. Es ist schön an dem Tag, als Eivor zum ersten Mal die Arbeit schwänzt. Nun ja, immerhin hat sie Vorarbeiter Svanslös am Freitag gesagt, dass sie zum Zahnarzt müsse, und er hat genickt, sie hat ja bisher noch keine einzige Stunde gefehlt. Liisa und Axel Lundin sollen sich zusammentun und an diesem Tag gemeinsam Akkord machen. Aber sie will nicht zum

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