Daisy Sisters
Wohnung, meine Freundin …«
»Du hast mich gebeten herzukommen«, antwortet Elna.
»Ich weiß«, antwortet Eivor. »Aber … es geht nicht.«
»Was geht nicht?«
»Wir fangen schon wieder an, nur zu streiten. Ich willmeine Ruhe haben. Ich finde, du sagst eine Menge seltsamer Dinge. Es ist, als ob du …«
»Was?«
»Eifersüchtig wärst auf irgendeine Art.«
»Das bin ich auch«, antwortet Elna. Aufrichtig, ohne zu zögern. »Ich dachte, das hättest du verstanden. Herzugehen und deine Küche zu streichen ist so, als würde ich in meinem eigenen verlorenen Traum herumgehen. Als ich in deinem Alter war. Ich habe sie nicht blau gestrichen, um dir zu zeigen, dass ich es bin, die bestimmt. Ich habe sie blau gestrichen, weil ich damals von einer blauen Küche geträumt habe … Damals, als ich glaubte, dass mein Leben anders werden würde. Ich dachte, das hättest du verstanden. Aber ich habe mich wohl geirrt.«
Sie setzt sich und fährt fort. »Ich bin erst sechsunddreißig. Da ist es vielleicht verständlich, dass ich dich um das beneide, was du tust. Und trotzdem bekomme ich ein schlechtes Gewissen, obwohl ich weiß, dass ich das nicht brauche. Außerdem werde ich schrecklich ungeduldig, weil in meinem Leben nichts passiert. Jetzt, wo ich nicht mehr an dich denken muss. Es ist, als ob ich das Denken verlernt hätte. Ich habe ich mich fast zwanzig Jahre lang nach diesem Tag gesehnt. Zu sehen, dass du alleine klarkommst. Und jetzt ist es, als hätte ich vergessen, wie man sich benimmt. Ich weiß, dass ich das selbst schaffen muss. Aber … bisher war es nur fürchterlich …«
»Und Erik?«, fragt Eivor.
»Er … Ja … Er versteht wohl nicht so viel davon …«
»Hast du mit ihm gesprochen?«
Elna schüttelt den Kopf. »Nein, noch nicht. Irgendwie graust es mir auch davor. Mir graust es vor allem. Aber natürlich bin ich froh darüber, dass es dir gut geht. Sonst könnte ich ja auch nicht neidisch sein. Oder?«
»Nein«, sagt Eivor langsam. Jetzt versteht sie. »Kann ich dir helfen?«, fragt sie.
»Nein«, antwortet Elna. »Aber danke auf jeden Fall … Es ist gut, dass wir das jetzt mal besprochen haben. Obwohl ich wünschte, dass du mich nie verdammtes Weib genannt hättest. Was auch immer, aber nicht das.«
»Das war nicht so gemeint.«
»Doch, das war es schon. Sei gerne wütend, wenn du willst. Aber benutze wenigstens ein anderes Wort …«
»Ja … Willst du Kaffee?«
»Ja, danke. Wir reden jetzt nicht mehr darüber.«
Am Morgen, als Eivor erwacht, ist Elna fort. Das Laken liegt zusammengefaltet auf dem Sofa, und auf dem Tisch liegt ein Brief, mit Bleistift auf eine Papiertüte geschrieben.
Eivor.
Ich habe fast die ganze Nacht lang wach gelegen. Und ich dachte, dass ich genauso gut schon heute mit einem Morgenzug fahren könnte. Alles ist in Ordnung. Ich sehe, dass du prima zurechtkommst. Ich bin nicht böse, und ich hoffe, dass du auch nicht … (unleserlich) bist.
Viele Grüße
Elna.
Das Wort Mama ist durchgestrichen. Aber nur mit einem Strich, das Wort ist weiterhin lesbar …
Eivor liest und wird traurig. Komm wieder, Mutter, denkt sie. Verdammt, komm wieder …
Und dann rast sie zur Fabrik. Als sie einstempelt, denkt sie, dass sie jetzt ernst machen muss mit ihrem Plan, eine Anstellung als Schneiderin bei Algots zu suchen. Jetzt gibt es keine Entschuldigung mehr für eine Verzögerung. Ehe der Schnee schmilzt, muss es geschehen sein.
Aber wie stellt man das am besten an?
Richtig, Annika Melander, die ist Schneiderin bei Algots.
Eivor hat sie bei Cecil kennengelernt. Wo sonst …
Es war ein Samstagabend Anfang März, Eivor braucht Feuer für ihre Zigarette, und zufällig hat Annika Melander Streichhölzer. Aber die Zigarette will nicht brennen, das Streichholz geht aus, ein neuer Versuch, Gelächter, und dann beginnen sie, sich zu unterhalten.
Die Mädchen hocken über ihren Coca-Cola-Flaschen, rauchen nervös ihre Zigaretten, spüren ihren Möglichkeiten nach, sind beunruhigt, weil er nicht gekommen ist, zeigen ein auffälliges Interesse für jemand anderen oder wirken nur uninteressiert. Aus der Musicbox dringt ein ununterbrochenes Knurren, da hören die Streaplers auf, da kommt »The King Himself« mit Won’t you wear my ring …
Der düstere Cafébesitzer sagt einem jungen Mann, er solle etwas weniger laut sein.
»Er arbeitet im Lager«, sagt Annika Melander. »Er ist schnell durcheinander, wenn er trinkt. Aber er ist nett.«
»Welches Lager?«, fragt
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