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Daisy Sisters

Titel: Daisy Sisters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Zahnarzt gehen, auch wenn sie es wohl nötig hätte. Sie will zu Algots’ Personalbüro, um nach Arbeit zu fragen. Manchmal zweifelt sie, denkt, dass sie sich genauso gut alle Pläne aus dem Kopf schlagen kann. Es gefällt ihr ja bei Konstsilke, auch wenn der Lärm betäubend ist und sie nicht viel weiterkommen kann. Aber es hieße, ihren eigenen Traum zu verraten, wenn sie es bleiben ließe.
    Sie ist gar nicht nervös, als sie die Treppe zum Personalbüro hinaufgeht. Irgendwie fühlt sie sich sicher.
    Die Tür geht auf, und eine Frau mit dunklen Haaren unddunkler Haut kommt heraus. Eivor erinnert sich an Annika Melanders Worte, dass Algots auch Frauen aus Jugoslawien beschäftigt.
    Sie ist an der Reihe. Der Personalassistent ist jung, er heißt Hans Göranson. Er kann nicht älter als fünfundzwanzig sein, aber er hat bereits einen beträchtlichen Kugelbauch, der unter der Weste spannt.
    Auf dem Tisch vor sich hat er den Brief, den Eivor geschickt hat. Er liest sich das Zeugnis von Jenny Andersson aus Örebro durch und nickt. »Das sieht ja gut aus«, sagt er und sieht sie an. »Wann könnten Sie anfangen?«
    »Jederzeit«, antwortet sie.
    »Na na. Sie können doch nicht so einfach von Konstsilke weglaufen«, sagt er. »Aber in einem Monat? 15. Mai?«
    Sie nickt.
    »Arbeiten Sie im Akkord bei Konstsilke?«, fragt er, und sie nickt wieder.
    »Das ist gut«, sagt er und verschränkt die Arme im Nacken. »Denn eine Sache kann ich versprechen, und man kann es auffassen, wie man will, als Versprechen oder als Drohung, aber hier geht es schnell. Wer nicht tüchtig zupackt, hat hier nichts zu suchen. Harte Arbeit, aber gut bezahlt.«
    »Das schaffe ich schon«, antwortet sie und fragt sich, was er mit gut bezahlt meint. Die Löhne bei Algots sind nicht höher als bei Konstsilke, das hat Annika erzählt. Der Unterschied liegt in dem, was sie herstellen und dass der Lärm nicht so ohrenbetäubend ist.
    »Das ist gut«, wiederholt er. »Aber ich kann jetzt nichts versprechen. Sie bekommen einen Brief. Ist das Ihre Adresse?«
    »Ja«, antwortet sie. »Wann bekomme ich Bescheid?«
    »Bald«, sagt er.
    Er steht nicht auf, als sie geht.
    »Bitte schicken Sie die Nächste rein«, sagt er zu ihr.
    Eine dunkelhäutige Frau ist die Nächste. Sie sieht ängstlich aus und starrt Eivor verschreckt an. Aber schließlich versteht sie, dass sie an der Reihe ist, und macht ein Kreuzzeichen, bevor sie hineingeht …
    Das war ja nun nicht schwer, denkt Eivor. Sie würde am liebsten den Tag vertrödeln, aber sie denkt an das Geld und geht doch noch zu Konstsilke.
    An einem Samstagabend im April ist es, als wäre die Welt stehen geblieben. Nichts geschieht, niemand weiß, wo etwas los ist. Im Park spielt bloß ein langweiliges Orchester.
    Nein, was soll man verdammt noch mal unternehmen? Was für ein Scheißsamstag! Was machen wir?
    Eivor fährt mit Unni und deren Freund Roger, der einen Borgward hat. Die übliche Schlange ringelt sich um den Marktplatz, aber alles ist so hoffnungslos still. Sie sitzen alle drei vorn. Unni, die Eivor auf irgendeiner Party kennengelernt hat, legt ihren Kopf an Rogers Schulter und kaut hektisch auf ihrem Kaugummi. Eivor trommelt mit den Fingern gegen den Türgriff und denkt an Lasse Nyman. Kann man eine Karte ins Gefängnis schicken? Aber was sollte sie schreiben? Wo ist er?
    Roger hält an der Bordsteinkante, und Eivor hört, dass er mit jemandem spricht. Aber sie kann sich nicht aufraffen nachzusehen, wer das ist.
    »Ich glaub, ich gehe nach Hause«, sagt sie ungeduldig.
    »Warum?«, fragt Unni.
    Sie bleibt sitzen, und in der nächsten Runde bleibt Roger an der gleichen Stelle stehen, und jemand steigt ein und setzt sich auf den Rücksitz.
    »Kennst du Jacob?«, fragt Roger und sieht Eivor an. Sie dreht sich um und nickt dem zu, der da zugestiegen ist.
    »Eivor«, sagt sie.
    »Jacob«, antwortet er.
    Roger hat Gardinen vor den hinteren Scheiben, darum kann sie sein Gesicht kaum erkennen. Eigentlich sieht sie nur, dass er helle Haare hat.
    »Was machen wir«, fragt Roger. »Weißt du was?«
    »Nein«, sagt Jacob.
    Noch eine Runde, aber nichts geschieht.
    Woher der Gedanke kommt, weiß sie nicht, aber plötzlich ist er einfach da, und wie gewöhnlich handelt sie impulsiv, das Denken kommt nicht so schnell mit. »Wir können ja zu mir nach Hause fahren«, sagt sie. »Aber ich hab nur Kaffee, sonst nichts.«
    »Ich hab noch was anderes«, sagt Roger und reißt das Auto aus der Schlange, dass die Reifen quietschen.

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