Daisy Sisters
nach Neujahr. Dazu ist zu sagen, dass ich seit einem Jahr ein Mädchen hatte, ein gutes Mädchen, sie gehörte nicht zu den Gesetzlosen, sondern arbeitete in einer Buchhandlung. Sie war bereit, einen Fünfer und ihre Zukunft auf mich zu setzen. Aber nur, wenn ich mit den Banken und Postämtern Schluss machte. Wir hatten es gut, und ich war es ja so verdammt leid, in den Knast rein- und wieder rauszuwandern. Mit Drogen hatte ich auch nichts am Hut. Ich begann also zu studieren, es ging recht gut, und als ich dann wegen guter Führung drei Monate eher entlassen wurde, dachte ich, jetzt kommt das Glück. Aber ich schaffte es nicht viel weiter als bis vor ihre Tür, Britta hieß sie. Dort erfuhr ich, dass sie jetzt nicht mehr wollte, es war ein anderer auf den Plan getreten. Seither habe ich keine Studienbücher mehr angesehen. Das ist jetzt ein paar Jahre her … Und … Ja, verdammt … Die ganze Zeit über habe ich daran gedacht, dich noch einmal zu treffen, um … Ja, sagen wir es so, um dich für damals um Entschuldigung zu bitten.«
»1956 …«
»Ja, es war wohl 1956.«
»Das ist so lange her. Das ist nichts, worüber man jetzt sprechen müsste.«
»Nein … Aber ich darf doch wohl trotzdem um Entschuldigung bitten. Oder …«
»Er ist ja tot.«
»Das war es nicht, woran ich denke. Sondern dass ich dich da mit reingezogen habe … Mit meinen verdammten Autogeschäften geblufft habe … Verdammt! Da kommt so ein hochnäsiger Stockholmer und zieht ein Mädchen ausHallsberg mit sich in die reine Hölle … Ich habe ein schlechtes Gewissen deswegen. Das habe ich immer gehabt.«
Sie sieht ihn an und denkt, wenn es etwas gibt, für das er um Entschuldigung bitten sollte, dann dafür, was er ihr auf dem Rücksitz eines gestohlenen Autos angetan hat. Aber das scheint gar nicht auf seiner Liste zu stehen …
»Wie hast du mich entdeckt?«, fragt sie.
»Das war nicht so schwierig«, antwortet er. »Man hat ja doch eine Menge Kontakte, wenn man so ein Leben führt. Ich war in Hallsberg und hab mich umgehört. Irgendjemand wusste, dass du nach Borås gezogen warst, und nach ein paar Tagen in Borås traf ich auf einen, der meinte, dass du das sein könntest, die mit dem Jacob aus dem Sportgeschäft verheiratet war, und dann rief ich an und sagte, dass ich vom Finanzamt wäre und deine neue Adresse bräuchte. So einfach war das. Warum ich hier eingedrungen bin? Ich weiß nicht. Doch, ich hatte vielleicht Angst, dass du nicht öffnen würdest. Hättest du es getan?«
»Geöffnet?«
»Ja?«
»Das hätte ich wohl …«
»Aber du bist nicht sicher?«
»Ich hätte geöffnet. Bist du nun zufrieden?«
»Ja … Ja, verdammt. Werd nicht gleich wütend! Kannst du nicht stattdessen ein bisschen erzählen, wie es dir ergangen ist? Zwei Kinder. Und Göteborg …«
»Du scheinst ja bereits alles zu wissen.«
»Ich weiß nichts. Aber du brauchst natürlich nicht, wenn du nicht willst …«
Nein, sie hat keine Lust. Jedenfalls jetzt nicht. Lasse Nyman ist aus dem Schatten aufgetaucht, und das ist allzu unwirklich, als dass sie von ihrem Leben erzählen könnte. »Was machst du jetzt?«, fragt sie.
Er zuckt die Achseln. »Es ist keiner hinter mir her«, sagt er ausweichend. »Es werden keine Bullen hier hereinstürmen, falls du das meinst.«
»Aber wo wohnst du? Hier in Göteborg?«
Er schüttelt den Kopf und trinkt die letzten Tropfen aus der Whiskyflasche. »Söder ist Söder«, sagt er. »Ich habe ein kleines Quartier da. Zumindest hatte ich das letzte Woche noch. Nein, ich bin bloß hier, um … Ja … Um dir guten Tag zu sagen.«
Er wirkt, als wäre er enttäuscht. Aber was hat er denn erwartet? Eine himmelstürmende Freude über das Wiedersehen?
»Ich muss morgen zeitig aufstehen«, sagt sie.
»Ich gehe gleich«, antwortet er und stopft die leere Flasche in die Jackentasche.
(Niemals eine Spur hinterlassen, denkt sie. Immer auf der Hut …)
»Wohin?«
»Das wird sich finden …«
»Wenn du nicht weißt, wohin du gehen sollst, leg dich hier aufs Sofa«, sagt sie.
»Aber was ist mit den Kindern?«
»Ich kann es ihnen erklären.«
»Was denn?«
»Dass du … ein alter Freund bist oder so.«
»Ja … Doch, dann bleibe ich gern.«
»Dann können wir uns ja morgen Nachmittag noch ein bisschen unterhalten. Aber ich muss jetzt schlafen.«
»Ja, klar.«
»Wie lange hast du vor, hier in Göteborg zu bleiben?«
»Ich habe keine Pläne. Ich fahre … irgendwann …«
Sie gibt ihm eine Decke und ein Kissen mit
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