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Daisy Sisters

Titel: Daisy Sisters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Bezug. »Ich hoffe, du kannst hier schlafen«, sagt sie.
    »Ich bin an bedeutend schlechtere Verhältnisse gewöhnt«, antwortet er.
    »Dann gute Nacht.«
    »Hej … Und danke …«
    Sie schließt die Tür hinter sich und setzt sich auf die Bettkante. Es ist kurz vor zwei. Sie stellt den Wecker, legt sich aufs Bett und zieht die Decke hoch. Aus dem Wohnzimmer ist kein Laut zu hören.
    Würde mich nicht wundern, wenn ich jetzt wach liege bis zum Morgengrauen, denkt sie. Aber ich wünschte, ich könnte schlafen, und morgen sehen wir weiter. Damals, vor sechzehn Jahren, war er mein Traum, und dann verlor ich alle Illusionen. Wer sagt, dass wir heute etwas gemeinsam haben? Vielleicht ist es jetzt genau anders herum? Vielleicht hat er sich während all dieser Jahre ein Bild von mir gemacht, das überhaupt nicht der Wirklichkeit entspricht?
    Aber das gehört zum morgigen Tag, jetzt muss sie schlafen …
    Als sie in der grauen Dämmerung vom Wecker aufwacht, ist er fort. Die Decke liegt zusammengefaltet auf dem Sofa, das Kissen sieht nicht so aus, als wäre es benutzt worden. Unter dem leeren Glas liegt ein Zettel, eine aufgerissene Zigarettenpackung. Sie reibt sich den Schlaf aus den Augen, setzt sich und liest die Worte, die er zurückgelassen hat.
     
    Eivor.
    Ich verschwinde in aller Stille. Ich glaube, so ist es am besten. Vielleicht sehen wir uns einmal wieder. Danke, dass du mich aufgenommen hast. Gib auf dich acht.
    Lasse N.
     
    Vielleicht ist es wirklich am besten, denkt sie. Ich habe genug um die Ohren. Ich brauche ja nicht daran zu denken, dass erhier war. Wir brauchen nicht an das zu rühren, was schon so lange Zeit zurückliegt. Ich lebe mein Leben, er lebt seins.
    Sie nimmt das Kissen und die Decke weg und weckt die Kinder. Sie verscheucht den Gedanken, dass sie eines Tages groß sein werden, dass sie nicht mehr jeden Tag wird damit beginnen können, ihre warmen Körper an sich zu drücken, einen intensiven Augenblick absoluter Zufriedenheit zu erleben. Das Wissen, dass es sie gibt. Sie zählen – und niemand sonst.
    Katarina Fransman überrascht Eivor damit, dass sie mit einem durchdachten Vorschlag kommt, und sie scheut sich auch nicht, Eivors Träume zu zerstören. Etwa den, Krankenschwester zu werden! Gewiss kann sie Krankenschwester werden. Es gibt eigentlich nichts, was man nicht werden kann. Aber es kann sechs, sieben Jahre dauern, bis sie fertig ist. Und dabei zwei Kinder versorgen? Nein, sie verlangt von Eivor, dass sie es sich noch einmal überlegt. Zumal Katarina ja mit anderen Vorschlägen aufwarten kann. Kürzeren und realistischeren Studienwegen.
    »Trotzdem«, sagt sie, »solltest du auch versuchen, ein bisschen zu leben während der Ausbildung. Du wirst noch früh genug merken, wie schwer es ist.«
    Schließlich kommen sie überein, dass Eivor noch etwas warten soll mit ihrer endgültigen Berufswahl. Sie muss jedoch damit beginnen, ihre Grundkenntnisse zu erweitern. Sobald sie sieht, wie das klappt, wie viel sie schafft, können sie weitere Beschlüsse fassen. Und Eivor stimmt zu. Die Frau auf der anderen Seite des Tisches weiß, wovon sie spricht.
    Die Voraussage des Meteorologen trifft ein: Es wird ein früher Winter in Göteborg dieses Jahr. Schon vor Weihnachten hat sich eine dünne Schneeschicht über die Stadt gelegt. Gerade an jenem Tag, dem 15. Dezember, herrschen Minusgrade, als Eivor am Abend zum Frölunda Torg und dem erstenvorbereitenden Studientreffen geht. Eine Einführungsveranstaltung für die, die ihre Studien im neuen Jahr beginnen werden. Sie eilt die Lergöksgata entlang, wie üblich ist sie spät dran. Mit zwei Kindern pünktlich zu sein ist nicht so leicht … Und sie ängstigt sich ein wenig vor diesem Treffen hier, obwohl Katarina Fransman versucht hat, sie zu beruhigen. Sie wird Menschen treffen, die in der gleichen Situation sind wie sie selbst.
    Da ist die Ekebäcks-Kirche, und es ist schon vier Minuten vor sieben. Auch wenn sie liefe, so würde sie doch zu spät kommen. Und wer wagt es schon zu laufen auf diesem vereisten Bürgersteig. Warum streut man keinen Sand …
    Es ist so viel geschehen im letzten Monat, so vieles, was in ihrem Kopf vorüberflimmert. An Lasse Nymans nächtlichen Besuch denkt sie daher kaum. Aber Katarina Fransman hat kurzfristig Arbeit für sie draußen in Frölunda gefunden, zu Fuß von zu Hause aus zu erreichen. Das ging alles so schnell, sie hatte gar keine Zeit zu zögern, nicht einmal, nervös zu werden.
    Und jetzt arbeitet sie schon

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