Daisy Sisters
einzigen Nacht. Sie warfen mich in eine Einzelzelle, und dort verstand ich, dass ich im Knast saß und dass ich fast dreißig wäre, wenn ich entlassen würde. Du kannst dir vielleicht denken, wie das war.
Hätten sie nicht die ganze Zeit auf mich aufgepasst, hätte ich mir damals das Leben genommen … Ich habe es auch versucht, aber sie kamen mir dazwischen. Ich war so verdammt rastlos; nur dazusitzen, während die Welt draußen vorbeizog … Ich glaube, das ging sechs Monate so, ohne dass ich etwas sagte.
Versuchte jemand, freundlich zu sein, fuhr ich ihn an, er solle zur Hölle fahren … Aber da war ein Bursche, recht alt, er ist jetzt tot, ein nervöser Schwindler, der zufällig einen Verwandten totgeschlagen hatte, weil er sich geweigert hatte, ihm mit einem kleinen Darlehen auszuhelfen … Er hat meine Lage verstanden und unterhielt sich mit mir, ließ mich aber selbst den Takt bestimmen. Von ihm lernte ich, dass man Zeitreal messen kann, dass es eine Summe ist, zwölf Jahre sind viertausenddreihundertachtzig Tage und Nächte, und Tag für Tag kann man einen davon abziehen … Die Chinesen geben ihren Jahren Namen. Für mich waren es die Jahre des Hundes und der Hölle. Ich versuchte zu fliehen, kam aber nie über die verdammte Mauer. Wie die Jahre eigentlich vergingen, weiß ich nicht. Ich schlief und versuchte zu fliehen, nähte Postsäcke und schlief. Aber schließlich kam ich raus, ein Nichts von vierundzwanzig Jahren, das mit einer Reisetasche und ein paar Kronen in der Tasche in Västervik stand. Ich ging zum Hafen hinunter, raus nach Slottsholmen, und starrte aufs Wasser. Ich wagte es kaum, einem Menschen ins Gesicht zu sehen. Aber ich hatte einen Kumpel in Kalmar, Nisse Galon, den ich im Knast kennengelernt hatte. Er sagte, dass ich zu ihm kommen könnte, wenn ich entlassen würde. Er wusste, wie es war, die Welt wiederzusehen nach einer Reihe von Jahren hinter Mauern. Einmal hatte er wegen Totschlags gesessen … Ich durfte eine Weile bei ihm und seiner Alten wohnen, lernte, mich auf der Straße zu bewegen, versuchte zu begreifen, was während all dieser Jahre geschehen war … Ja … Ich hatte acht Jahre aufzuholen, auf irgendeine Weise. Es war, als ob ich das zuerst machen müsste, ehe ich mit meinem eigenen Alter leben konnte, wenn du verstehst, was ich meine … Jedenfalls, Nisse Galon hatte so seine Erwartungen, er besorgte mir einen Job bei Kalmar Mekaniska und eine schäbige Bude. Vier Monate lang ging ich dorthin, dann verschwand ich. Obwohl ich acht Jahre gesessen hatte, schreckte mich das nicht ab, wieder anzufangen. Man kommt immer klar, denkt man. Und nach acht Jahren kann es nicht mehr schlimmer werden. Ich hatte in Kalmar einen Burschen getroffen, mit dem ich zusammen im Knast von Falun gesessen hatte, und er wusste von einem Tresor in Emmaboda … Nein, das war später, Orrefors war es. Ich hatte ja beiKalmar Mekaniska das Schweißen gelernt, das klappte gut, es war viel Geld diesmal, viertausend für jeden. Es war, als ob eins der acht Jahre bezahlt wäre. Sieben mussten noch bezahlt werden, und ich wäre mit mir selbst im Reinen. Das war ein guter Kumpel, mit dem ich mich da eingelassen hatte. Er dachte vernünftig, während ich selbst allzu starrköpfig war. Wir machten für vier Monate eine feine Tour. Nisse Galon war natürlich wütend, aber darum scherte ich mich nicht. Ja, was geschah dann … Mein Kumpel hatte ein Mädchen und meinte, er hätte erst einmal genug zusammen. In Kalmar begann ich mich beengt zu fühlen, und ich hatte Geld, um mir ein Auto zu kaufen und nach Stockholm zu fahren. Ich erinnere mich, dass ich in Norrköping anhielt, vor dem Gefängnis parkte und gegen die Mauer pisste. Das war eine schöne Reise. Hinter Nyköping stand ein Mädchen an der Straße und wollte mitgenommen werden, und ihr war das Frauengefängnis in Hinseberg nicht ganz unbekannt, also verbrachten wir einen angenehmen Abend in Södertälje … Es war das erste Mädchen seit … Ja, seit … Ja, verdammt, du verstehst schon. Wir können später darüber sprechen … Aber sie hatte einen Kerl in Stockholm, und deshalb musste sie nach Hause fahren … Ich hab sie dann noch ein paarmal gesehen, sie hurte in Stockholm … War wohl eine Kollegin von der, die in einem Wohnwagen auf dem Valhallavägen erstochen wurde. Vollgepumpt mit Drogen. Aber als sie da draußen hinter Nyköping auf der Straße stand und mitgenommen werden wollte, war sie flott … Ich stellte das Auto ab, betrank mich und
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