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Daisy Sisters

Titel: Daisy Sisters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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scharf geschliffenen Bergen zu bestehen scheint. Die Wolkendecke bricht auf, und die Sonne strahlt mit gewaltiger Kraft. In wenigen Minuten entsteht Hochsommerwärme in dem Bus.
    Lasse Nyman sitzt still an ihrer Seite. So still, dass sie sich beinahe einbilden kann, auf eigene Faust zu reisen.
    Allein auf der Welt, frei und selbständig …
    Und dann sind sie in Funchal. Ein ohrenbetäubender Lärm von hupenden Autos auf der Rua Joâo de Deus, der engen Brücke über Ribeira de Santa Luzia und dann nach Westen, zu dem großen Hotelbereich direkt vor der Stadt … Farben, Menschen, Düfte … Neben dem Fahrer sitzt jemand, der sagt, dass er Dorte heiße, und in das kratzende Mikrofon spricht, verständlich auch für schwedische Ohren. Ich werde dir später zuhören, Dorte, denkt sie. Jetzt will ich nur gucken. Und diese Düfte …
    Abgase und Magnolien, Gemüse und offenes Feuer.
    Mitten im Leben, mitten in der Welt …
    Und es wird Abend und Morgen mit Licht und mit Wärme, und die Tage sind erfüllt von brodelndem Leben.
     
    Eivor erwacht früh in der Dämmerung des dritten Tages. Sie liegt ganz still in ihrem Zimmer und fühlt den milden Wind, der durch die offene Balkontür hereinweht.
    Der dritte Tag … Sie versucht sich zu erinnern, was da in der Schöpfungsgeschichte geschah. Am ersten Tag schwebte der Geist über dem Meer, und bald darauf wurde es Licht, daran erinnert sie sich genau. Aber was kam dann? Nacht und Tag, Jahreszeiten, Himmel und Sterne? Nein, zuerst kam wohl doch das feste Land, kamen Gras und Bäume … Nein, sie erinnert sich nicht, darum entscheidet sie sich einfach dafür, dass es der Morgen des dritten Tages war, an dem die Menschen ihren fatalen Einzug hielten …
    Sie steht auf, wickelt sich in eine Decke und geht hinaus auf den Balkon. Sie kann nicht aufhören, sich darüber zu wundern, dass die Dämmerung hier so schnell kommt, ebenso wie der Tag ohne Übergang zur Nacht wird. Der Beton ist kalt unter ihren nackten Füßen … Weit unter ihr ist das Meer. Das Hotel balanciert auf einem steilen Berghang. Eigentümliche Klippen erheben sich aus dem Meer, einigeHundert Meter vom Land entfernt. Auf dem Weg, der in die Stadt führt, klappert eine Karawane von wackligen Lieferwagen und Eselskarren mit ihren Gemüseladungen daher … Die kurze Dämmerung ist schon vorüber. Noch ein Tag hier, der dritte …
    Sie verlässt den Balkon und kriecht wieder ins Bett. Sie ist unruhig und will nachdenken.
    Am Abend zuvor hatten die Probleme begonnen. Zum ersten Mal seit der Abreise hatte das schlechte Gewissen sie heimgesucht. Da war sie wieder, die alltägliche Eivor Maria.
    Fast zwei Tage lang war alles gut gegangen, besser, als sie es jemals zu hoffen gewagt hatte. Der erste Tag, eigentlich ja nur ein Nachmittag, bevor es Nacht wurde, wurde damit verbracht, das Zimmer zu belegen, auszupacken, die Kleider zu wechseln und zu Abend zu essen. Ihre Zimmer liegen auf demselben Korridor, aber nicht Wand an Wand, und Eivor empfindet es als Erleichterung, Lasse Nyman nicht direkt neben sich zu haben. Sie fahren mit dem Aufzug hinauf und gehen auf dem Korridor jeder in eine andere Richtung. Plötzlich meint sie, er zögert. Es gibt da etwas unbestimmbar Unruhiges in seinen Augen, als würde er sich ärgern, dass er sie gebeten hat mitzukommen. Sie denkt, dass sich da offensichtlich auch widersprüchliche Gefühle in ihm regen, hinter dem unbeschwerten und ungezwungenen Äußeren.
    Er fragt, ob sie gemeinsam zu Abend essen wollen. Natürlich wollen sie das … Er sagt, er habe eine Bar in der Etage unter der Rezeption gesehen. Vielleicht könnten sie sich da treffen? In ein paar Stunden … Um halb sieben? Dann nimmt er seinen Koffer und geht in sein Zimmer …
    Wieso sollten sie sich nicht treffen wollen? Er hat sie zu dieser Reise eingeladen, er will keine Gegenleistung, nicht einmal ihre Gesellschaft. Sie reist mit freiem Geleit, und bisher gibt es nichts, was darauf schließen ließe, dass er nichtmeint, was er sagt. Aber warum diese fast ängstliche Frage, ob sie gemeinsam zu Abend essen wollen? Es wäre doch unnatürlich, wenn sie das nicht täten. Wen sollte das auf dieser Insel interessieren …
    Als sie in die Bar kommt und ihn in einer Ecke der Theke entdeckt, hat sie das Gefühl, dass er da schon lange sitzt. Er hat sich noch nicht mal umgezogen. Aber als sie sich neben ihn setzt, merkt sie, er ist trotzdem nicht betrunken. Er zuckt nur zusammen, als hätte sie ihn erschreckt …
    Sie essen in

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