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Daisy Sisters

Titel: Daisy Sisters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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zu Ende, steht auf und nickt ihr zu. Adeus . Das ist alles.
    Als Eivor einige Stunden später aus ihrem Zimmer hinunterkommt, um in irgendeinem nahe gelegenen Restaurant zu Abend zu essen, sitzt Lasse Nyman im Foyer und wartet auf sie. Er sieht frisch gebadet aus und scheint in bedeutend besserer Form zu sein als am Morgen. Aber vor ihm auf dem Tisch stehen zwei leere Whiskygläser.
    »Wie war es?«, fragt er.
    »Du hättest mitkommen sollen«, antwortet Eivor.
    »Ich weiß von einem Fischrestaurant«, sagt er ausweichend.
    Es liegt ganz nah am Hafen. Sie müssen lange Treppen hinuntersteigen, um es zu erreichen.
    Lasse Nyman ist verändert. Verschwunden ist seine stille und verschlossene Abwesenheit. Eivor erlebt es als eine Befreiung. Vielleicht kann er jetzt endlich anfangen, sich normal zu benehmen.
    »Es ist schön hier«, sagt er. »Verdammt schön.«
    »Warum hast du mich eigentlich eingeladen?«, fragt sie.
    »Das ist dir doch wohl klar.«
    »Nein!«
    »Ich mag dich. Das war schon immer so.«
    »Wir haben uns vor sechzehn Jahren gekannt. Einige Tage. Und du weißt … Ich muss nicht mehr darüber sagen. Aber es ist sechzehn Jahre her. Nichts ist mehr wie damals.«
    »Doch, du.«
    »Natürlich nicht.«
    »Warum muss alles so verdammt anders sein?«
    Er trinkt einen Schluck Wein und verzieht das Gesicht. Der Blick irrt umher, und Eivor erkennt eine Irritation in seiner Stimme. Aber sie kümmert sich nicht darum, jetzt will sie es wissen.
    »Du hast Banküberfälle gemacht«, sagt sie. »Und viele Jahre im Gefängnis gesessen. Das hast du erzählt. Und du weißt, dass ich verheiratet war und zwei Kinder habe. Du hast sogar meinen Mann getroffen. Da ist nichts mehr genauso wie damals. Verstehst du, was ich meine?«
    Er scheint nicht zuzuhören. »Ich mag dich«, sagt er bloß.
    »Kannst du nicht antworten?«
    »Worauf?«
    »Warum du mich eingeladen hast.«
    »Das habe ich doch getan …«
    Sie kommt nicht an ihn heran. Sie zuckt die Achseln und nimmt eine Garnele zwischen die Finger.
    »Weißt du, was ich heute Nacht gemacht habe?«, fragt er plötzlich, und sie merkt, dass er betrunken ist. Er muss viel getrunken haben, während er im Hotelfoyer saß …
    »Nein.«
    »Es gibt ein Casino hier. Ich war da und habe alles Geld verspielt.«
    Sie zuckt zusammen, erinnert sich aber an die drei Tausenderscheine in ihrer Handtasche. »Ich habe ja noch das Geld, das du auf den Tisch gelegt hast«, sagt sie. »Hast du so viel Pech gehabt? Ich bin noch nie in einem Casino gewesen.«
    Er schaut sie ernst an, seine Pupillen sind riesig und glänzen. Dann bricht er in ein viel zu breites Lächeln aus und schüttelt den Kopf. »Ich ziehe dich doch nur auf«, sagt er. »Ich habe verloren. Aber nicht so, dass es etwas ausmacht. Das Geld soll rollen. Aber jetzt hast du Angst bekommen, was?«
    Sie sieht ihn erstaunt an. Angst? Wovor?
    »Wovor sollte ich Angst haben?«, fragt sie. »Und die Tausender kannst du gleich haben.« Sie hebt die Handtasche auf, die auf dem Steinboden neben ihrem Stuhl steht.
    »Nein«, brüllt er. »Die sollst du behalten. Verdammt …«
    Da bekommt sie Angst. Sein Gebrüll ist so überraschend, und seine Pupillen sind erschreckend geweitet. Als sie den Blick hebt, sieht sie direkt in seine starren, prüfenden Augen.
    »Jetzt fahren wir in die Stadt«, sagt er, als sie die Treppen hinaufgehen.
    »Ich bin müde«, sagt sie.
    »Dummes Zeug«, sagt er.
    Sie antwortet nicht, ist wachsam. Plötzlich bleibt er mitten auf der Treppe stehen und packt ihren Arm. Im bleichen Licht eines Hotels, das weiter oben an dem steilen Hang liegt, sieht sie seine flackernden Augen, und der Dunst von Wein schlägt ihr entgegen, als er sich über sie beugt.
    »Du solltest dir klarmachen, dass ich dich nicht eingeladen habe, damit du irgendeinen verdammten Portugiesen aufreißen kannst«, sagt er.
    Sie versteht nicht, was er meint. Sollte sie …
    »Ich sehe alles«, fährt er fort. »Ich sehe dich, aber du siehst mich nicht …«
    »Wovon sprichst du?«
    »Im Café. Vor dem Hotel. Wo du gesessen und dich vor einem verdammten Portugiesen aufgespielt hast …«
    Das kann er doch unmöglich ernst meinen! Der Mann amNachbartisch, mit dem sie ein paar belanglose Worte gewechselt hat …
    »Du weißt nicht, wovon du sprichst«, sagt sie. »Jetzt komm …«
    Und dann geht es so schnell, und sie ist so unvorbereitet, dass es ihr vorkommt, als käme ein Schmiedehammer durch die Dunkelheit gesaust. Sie stolpert rückwärts und stürzt von

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