Daisy Sisters
einem kleinen Restaurant, das der Barkeeper ihnen empfohlen hat, direkt neben dem Hotel. Es ist ein Keller mit gewölbten Mauern. Über den schweren Holztischen hängen Eisengestelle, die für Grillspieße vorgesehen sind, und während er Bier bestellt, nimmt sie eine Karaffe Rotwein. Sie sprechen über die Reise, über das Hotel, über das Restaurant, über das Essen. Eine Konversation, die sie auf ausreichendem Abstand zueinander hält. Als sie zum Hotel zurückkommen, geht er wieder in die Bar hinunter, und als Eivor sagt, dass sie jetzt allein sein möchte, nickt er nur.
»Man frühstückt hier unten«, sagt er.
»Ja«, sagt sie. »Danke für das Abendessen.«
Die drei Tausenderscheine, die er auf ihren Tisch in Göteborg gelegt hat, stecken in ihrer Handtasche. Sie weiß nicht, was sie damit machen soll. An eigenem Geld hat sie nur vierhundert Kronen, und sie hat das Gefühl, damit auskommen zu müssen. Ihn immer bezahlen zu sehen wird früher oder später unerträglich. Die ganze Zeit über ihre Schulden zu erhöhen …
Am ersten Tag streifen sie durch Funchal. Hin und wieder zwingen plötzlich Regenschauer sie, im nächsten Café Schutz zu suchen. Beide fühlen sich verloren in der fremden Stadt, keiner wagt es, irgendeine Initiative zu ergreifen. Schließlich empfindet Eivor sein Schweigen als bedrückend. Sie möchteso gerne über das sprechen, was sie sieht, ihre Entdeckungen teilen, aber da ist etwas Dichtes und Verschlossenes an ihm, das dazu führt, dass sie stumm bleibt. Sein Schweigen ist offenbar nichts anderes als eine Schale, hinter der sich das Motiv verbirgt, warum er sie mit nach Madeira genommen hat.
Aber alles ist so neu und spannend um sie herum, dass es dem Unbehagen nicht gelingt, Wurzeln zu schlagen.
»Wie schön es hier ist«, sagt sie, als sie sich am Nachmittag zum Restaurant The English Country Club durchgefragt haben.
»Ja«, sagt er.
»Ich habe dir wohl noch nicht gesagt, wie froh ich darüber bin, dass du mich eingeladen hast.«
»Das geht schon in Ordnung …«
»Willst du noch Kaffee?«
»Ich nehm lieber ein Bier.«
Ungefähr so. Zwei schwedische Touristen, die einander so gut kennen, dass sie auch gemeinsam schweigen können.
Auf dem Weg zurück ins Hotel bleibt Eivor vor einem Kleidergeschäft stehen und schaut sich die Kleider an, die auf einem Ständer hängen.
»Wenn da etwas ist, was du haben möchtest, dann kauf es dir«, sagt er.
»Ich schaue nur«, antwortet sie.
Am Abend nehmen sie ein Taxi zu einem Fischrestaurant und essen Schwertfisch, espada . Zu ihrer Verwunderung bestellt er auch Wein, und als er einige Gläser getrunken hat, beginnt er plötzlich zu reden.
»Man sollte öfter reisen«, sagt er.
»Wenn man das Geld hätte.«
»Geld … Geld … Man sollte hier irgendwo wohnen. Dem verdammten Schnee entkommen … Man sollte öfter reisen …«
»Wenn man genug Geld hätte.«
»Geld«, sagt er wieder, ohne seine Verachtung zu unterdrücken. »Geld … Was zum Teufel ist das?«
Die Bedienung kommt und gießt die letzten Tropfen aus der Weinflasche in ihre Gläser, und Lasse Nyman bestellt mit einer Handbewegung eine neue Flasche. Eivor findet seine Art zu bestellen arrogant, aber natürlich sagt sie nichts.
Mehr Wein fließt, und sie erzählt von einem Ausflug zu einer Schlucht, von dem sie im Hotel gelesen hat. Sie ist noch nicht auf den Punkt gekommen, als er sie schon unterbricht.
»Klar fahren wir dahin«, sagt er. »Wir mieten ein Auto …«
Aber am nächsten Morgen wartet Eivor im Frühstückssaal vergebens auf ihn. Erst als die Bedienung anfängt, die Tische abzuräumen, geht sie hinauf und klopft an seine Tür. Es dauert eine Weile, bis er öffnet, und als er vor ihr steht, sieht sie gleich, dass er noch ganz verschlafen ist. Außerdem riecht er nach Alkohol.
»Ich glaube, du musst diesen Ausflug allein machen«, sagt er. »Aber du bekommst Geld von mir. Du kannst doch Auto fahren?«
Er geht ins Zimmer und sucht seine Brieftasche. Seine Kleider sind überall im Zimmer verstreut. Sie bleibt vor der Schwelle stehen, sie will nicht hineingehen.
»Ich komme schon klar«, sagt sie. »Wir sehen uns dann später.«
Ohne auf eine Antwort zu warten, geht sie fort. Eigentlich ist sie ganz froh, allein zu sein. Das Abenteuer wird dadurch größer.
Der Portier hilft ihr, einen kleinen Morris zu mieten, und eine halbe Stunde später steuert sie auf den Weg nach Westen hinaus. Nach einigen Kilometern biegt sie ins Landesinnere ab und nimmt die
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