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Daisy Sisters

Titel: Daisy Sisters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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dem Schlag, der sie über dem Auge trifft.
    »Du sollst nicht versuchen, mich zu täuschen«, sagt er und atmet heftig. Dann stellt er sie wieder auf die Füße und hält sie fest. »Kapierst du?«
    Sie ist völlig gelähmt. Der Schlag war hart, und die Tatsache, dass sie so unvorbereitet war, erhöht den Schmerz. Warum hat er sie geschlagen?
    »Warum hast du mich geschlagen?«, sagt sie. »Ich habe nichts getan …«
    Da schlägt er sie wieder, diesmal mit der offenen Hand, mehrere Ohrfeigen hintereinander. »Ich habe genug gesehen«, ruft er. »Ich habe gesehen, womit du beschäftigt warst. Schöngetan hast du ihm … Du verdammte …«
    »Hör auf«, schreit sie. »Hör auf …«
    »Dass du es nur weißt«, sagt er und schüttelt sie.
    Als er sie loslässt, will sie davonrennen. Aber er packt sie sofort wieder. »Nein«, sagt er. »Nein … Du wirst hier nicht weglaufen. Wir werden zusammen gehen. Und du solltest dir klarmachen, dass es dein Fehler war. Eigentlich müsstest du um Entschuldigung bitten.«
    Es brennt auf den Wangen, und das Blut pocht heftig über dem linken Auge nach dem Schlag. Aber mitten im Schock über den unerwarteten Überfall wächst auch ein Zorn empor, eine Wut, die keine Rücksicht darauf nimmt, dass er wieder zuschlagen kann.
    »Lass mich los«, zischt sie. »Lass mich los …«
    Sie reißt sich los, aber er ist gleich wieder bei ihr.
    »Ich schlage dich tot«, sagt er ganz ruhig. »Jetzt gehen wir, und du kannst dir ganz allein die Schuld daran geben.«
    Er packt ihren Arm und zieht sie die Stufen hinauf. Sie treffen ein englisch sprechendes Paar, das auf dem Weg zum Meer ist.
    Tränen rinnen über ihr Gesicht, Tränen der Wut.
    »Wisch sie weg«, sagt er. »Sonst schlage ich dich wieder. Du hast es dir ganz allein zuzuschreiben. Du hast mich gereizt, und davor solltest du dich hüten. Schließlich habe ich deine Reise bezahlt.«
    »Du wirst jede verdammte Öre zurückbekommen«, schreit sie, und er hebt wieder die Hand, aber da tritt sie ihm gegen das Schienbein und rennt davon. Sie schafft es fast bis zum Hotel hinauf, ehe er sie gepackt hat.
    »Jetzt vergessen wir das hier«, sagt er. »Jetzt hast du deine Lektion gelernt.«
    Sie geht geradewegs ins Hotel. Er ist irgendwo hinter ihr. Aber jetzt rührt er sie nicht mehr an. Sie bekommt ihren Schlüssel und geht zur Treppe, ohne sich umzusehen.
    Einige Stunden später steht er an ihrer Tür und klopft, aber sie öffnet nicht, antwortet nicht auf seine Frage, ob sie schläft. Sie sitzt nur auf dem weißen Sofa und starrt stumpf vor sich hin …
    Der Morgen des dritten Tages … Sie liegt also wieder im Bett, nachdem sie auf dem Balkon gestanden und gesehen hat, wie die kurze Dämmerung schnell zum Tag geworden ist. Auf dem Weg zurück ins Bett ist sie am Spiegel stehen geblieben und hat sich den blauen Fleck über dem Auge angesehen. Als sie den Kiefer bewegt, spürt sie, er tut weh …
    Jetzt, nachdem eine Nacht vergangen ist, versucht sie, ruhig nachzudenken und zu verstehen, was geschehen ist. Am Abend zuvor war sie viel zu aufgebracht.
    Sie denkt an Jacob. Er schlug sie, wenn er ein schlechtes Gewissen hatte oder wenn ihm die Argumente ausgingen. Wenn Worte nicht reichten, nahm er die Fäuste. Aber das kann doch hier nicht der Fall sein? Sie und Lasse Nyman haben doch kaum miteinander geredet …
    Noch einmal durchdenkt sie, was er gesagt hat. Er hat sie also im Café sitzen sehen, als sie sich mit dem Portugiesen am Nachbartisch unterhielt. Und das hat ausgereicht, dass er derartig eifersüchtig wurde? Aber das ist doch unmöglich …
    Oder doch nicht? Vielleicht ist er verrückt genug, zu denken, dass er sie gekauft hat – zum Preis einer Charterreise nach Madeira. Völlig unmöglich ist das nicht. Eivor hat ihre Freundinnen erzählen hören … Es scheint keine Grenzen dafür zu geben, was Männer meinen sich kaufen zu können.
    Sie liegt da und denkt an den prahlerischen Autoknacker, in den sie so schrecklich verliebt war, an den Mann, der da auf der abendlichen Straße stand und sie beobachtete, um dann ihre Tür aufzubrechen und ihr seine Lebensgeschichte zu erzählen … Da ist etwas so Klägliches an der ganzen Gestalt, so viel Einbildung und Selbstbetrug.
    Ein Bankräuber, der niemals aus dem Windelalter herausgewachsen ist …
    Sie merkt, wie sie sich wieder erregt, die Wut kommt zurück. Niemand hat das Recht, sie zu schlagen, niemand! Wenn er glaubt, getäuscht worden zu sein in seinen dunklen Erwartungen, wird sie ihm

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