Daisy Sisters
sich nicht provozieren lässt. Am Donnerstag war Katarina Björk, ein mageres Mädchen aus Aspeboda, die den Kran in der Schicht vor Eivor bedient, bis zum Schluss im Umkleideraum geblieben, und Eivor merkt,dass sie reden will. Sie fragt, wie es geht, und Eivor sagt, wie es ist: ein bisschen unsicher, aber nicht so schlimm, dass sie es nicht schafft. Katarina Björk hört aufmerksam zu, und Eivor fragt sich, wie sie, die so bleich und mager ist, die Männer in ihrer Schicht zügeln kann. Aber so weit kommen sie nicht, Vertrauen entsteht nicht von einem Moment auf den anderen. Als Katarina Björk in der Tür steht und nickt und »Hej« sagt, ist Eivor jedoch sicher, dass sie beim nächsten Mal mit ihr reden kann. Nach ein paar weiteren Tagen hat sie außerdem Kontakt zu Mari Velander aufgenommen, die Eivor ablöst. Sie ist zweiundvierzig Jahre alt, kräftig gebaut, und sie erinnert Eivor an eine Schauspielerin, die sie in einem alten schwedischen Film gesehen hat. Sie erinnert sich sogar an den Namen, Bullan Weijden , und sie fühlt sich sofort wohl in Mari Velanders Gesellschaft. In ihrer Art erinnert sie an Liisa: Umwege gibt es nicht! Mari Velander teilt ihr mit, dass sie die Pornobilder abreißen wird, wenn Eivor es nicht tut. Sie weiß, dass Eivor in die schlimmste Schicht geraten ist, aber obwohl einige Männer in ihrer Gruppe die Bilder auch nicht gut finden, wagt es doch keiner von ihnen, gegen den Strom zu schwimmen. Männer sind ja so unwahrscheinlich kindisch ! Eivor nickt und fühlt eine heftige Dankbarkeit: Vielleicht klappt es ja wirklich, sie wegzubekommen! Ohne dass sie Liisa hineinziehen muss.
Sie eilt hinaus und stößt an der Tür zur großen Halle mit Lazarus zusammen. Sie macht nicht die geringste Anstrengung, einem Zusammenstoß mit ihm auszuweichen. Während der Zeit des offenen Krieges, die nun folgt, ob die Pornobilder bleiben oder nicht, bekommt Eivor eine Vorstellung davon, dass eine Veränderung in Etappen geschieht, und selten entlang einer vorher erkennbaren Linie.
An einem Tag riss Mari Velander die Bilder ab, aber am nächsten Tag waren die Wände wieder voll. Nun begannauch Eivor die Fotos abzureißen (später kam noch Katarina Björk dazu, und die Liga war komplett), und das ging so lange, bis Holmsund ihr eines Tages eine Ohrfeige gab, als er verkatert war und sie ihm an den Kopf geworfen hatte, er sei ein Schwein. Natürlich gab es einen Aufstand, sogar Göran Svedberg regte sich auf. Makadam und Lazarus ergriffen (wenn auch zögernd) Partei für Holmsund. Albin Henriksson schmatzte mit den Zähnen und wiederholte in einem endlosen Monolog, dass er so etwas ja noch nie gehört habe … Das reine Texas … Ob Eivor nicht trotz allem zugeben müsse, dass einige der Frauen schöne Körper hätten?
Die Bilder an den Wänden, das sah Eivor ein, waren nur ein kleiner Teil des Rechts, das die Männer ständig zu verteidigen suchten. Die Kommentare und Anzüglichkeiten wegen ihrer Fehler im Kran, ihrer Kleider, versteckte Andeutungen und Anspielungen auf Sex, auf die ständige Lust der Frauen rumzuhuren waren noch anstrengender.
Es war eine nervenzehrende Zeit für Eivor. Es ging um weit mehr als um ein paar Pornobilder und um die Angst der Männer, ihre Rechte an die Frauen abtreten zu müssen. Eine ökonomische Krise bedrohte die Großindustrie. Als sie ihre erste Gewerkschaftsveranstaltung besuchte, um an weiteren Informationen über die Probleme des Werks teilzuhaben, verstand sie zu ihrem Erstaunen, was da gesprochen wurde. Bald darauf zeigte sich, dass das Werk diesmal mit dem Schrecken davongekommen war, und Eivor atmete ebenso erleichtert auf wie ihre Kolleginnen und Kollegen.
Auch aus einem anderen Grund war diese Zeit für Eivor nervenzehrend, und dieser Grund war Peo. Wie versprochen rief er am Samstagmorgen an, aber Eivor schlief noch, und nachdem sie von Linda geweckt worden war (die ihrerseits einen Anruf erwartete), war sie so verschlafen, dass sie ihn bat, eine Stunde später noch einmal anzurufen. (Und er?,dachte sie, als sie im Badezimmer stand; wann schläft er eigentlich? Da er doch in der Nacht arbeitet …)
Sie fuhren in seinem Auto nach Falun, und er lud sie zum Essen in eine Pizzeria am Marktplatz ein, auf dem eine Statue des Revolutionärs Engelbrekt Engelbrektsson stand. Dann machten sie einen Spaziergang durch die Stadt, gingen hinauf zu den Schlackehügeln und suchten nach dem Geburtshaus des Schlagerstars Ernst Rolf. Wenn Eivor auch einiges gelernt hatte,
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