Daisy Sisters
ist …«
Der Schnee fällt, die kleine Stadt wird weiß. Elna liegt in den Nächten wach auf ihrem Küchensofa. Am gegenüberliegenden Ende der Küche, zwischen Tisch und Spüle,schnarcht Nisse auf seiner Matratze. Er hat aufgehört, sie zu ärgern, er kann nicht einmal mehr ihrem Blick begegnen, wirkt nur verlegen und unsicher. Und sie tut auch nichts, um sich ihm zu nähern. Was sie in den Nächten wach hält, ist eine Mischung aus Hass und Unruhe. Hass gegen den, der sie ins Elend gestürzt hat, Unruhe wegen dem, was nun kommen wird. Manchmal meint sie auch zu spüren, dass nicht alles tiefstes Dunkel ist, sondern dass es eine Lösung gibt.
Sie kann das Kind ja weggeben. Es gibt kinderlose Paare, die nichts lieber wollen. Ja, sie braucht es wohl noch nicht einmal zu sehen, wenn sie nicht will.
Aber will sie das? Beim ersten Mal, als sie die Bewegungen spürte, das Kind, das sich rührte, war da auch etwas anderes, was zum Leben erwachte. Was, weiß sie nicht, sie hat kein Wort, das dieses Gefühl beschreibt. Es war keine Freude, keine Sehnsucht, keine … Nein, sie findet kein Wort. Auch das verwirrt sie. Fragen und Gedanken, die sich festklammern in der Vorwinternacht, als sie wach liegt.
Es ist wenige Tage vor Weihnachten. Elna hilft Mutter beim Backen. Jetzt ist bald Essenszeit, und der Blutpudding steht warm auf dem Herd. Heute ist auch Arne zum Essen zu Hause. Ihn rechnen sie nie mit, darum muss Elna noch einen Teller dazustellen. Vater Rune wirkt müde, er sagt nichts und starrt nur auf den Boden. Er war den ganzen Herbst müde, und das, was Elna geschehen ist, macht ihm zu schaffen. Außerdem das Bein, das verdammte Blut, das nicht durch seinen Körper kreisen will, ohne dass er nachhilft, sein ständiger Nachttanz. Auch seinen Appetit hat er verloren, der Blutpudding liegt beinahe unberührt auf seinem Teller. Es ist eine der stummen Mahlzeiten, weder Arne noch Nisse brechen das Schweigen. Stattdessen hören sie sich das Abendgezanke aus der Nachbarwohnung an, bei Wretmanund seiner Alten. Wretman arbeitet am Bahnhof, seine Alte ist zu Hause, und die Wohnung, so klein wie alle anderen im Haus, wimmelt von Kindern. In neun Jahren haben sie sieben Kinder bekommen, und erstaunlicherweise sind alle am Leben geblieben. Aber Wretmans Husten hört sich gar nicht gut an, er ist wohl lungenkrank. Türen schlagen, die Kinder schreien, irgendwas wird an die Wand geworfen, und es ist unmöglich, nicht hinzuhören. Das Schweigen am eigenen Tisch scheint sich noch zu vertiefen durch den Krawall auf der anderen Seite der dünnen Wand.
Vater Rune schiebt den Teller von sich, nimmt vom Schnupftabak, den Arne anbietet, und wendet sich an Elna. »Ich hab jetzt Bescheid bekommen«, sagt er.
Alle wissen, worauf er anspielt; er ist es, der die schwere Bürde auf sich genommen hat, den Saukerl aufzuspüren, der seiner Tochter das angetan hat. Bei der Staatsanwaltschaft musste er sich demütigen, indem er fragte, was er tun könne, um den Grünschnabel zu finden, aber wenigstens war der Staatsanwalt liebenswürdig, hat ein paar Fragen gestellt und sich Notizen gemacht. Er wird tun, was er kann. Die Militärbehörde hat selbst eine besondere Einheit, die sich aller Vaterschaftsangelegenheiten annimmt, die die schlimme Zeit leider mit sich bringt. Wenn er wiederkommen kann, Mitte Dezember vielleicht, dann werden wir sehen, was sie herausgefunden haben. Weiß die Tochter wirklich nicht den Nachnamen des in Frage kommenden Mannes?
Und jetzt ist also der Bescheid da. Ein Einberufener, auf den die genannten Daten passen, war unter den aktuellen Grenzwachen während des in Frage kommenden Zeitraums nicht ausfindig zu machen, auch andere konnten keine Auskunft geben, damit überweisen wir den Auftrag zurück, unterzeichnet …
Die Tochter könne ja in der Reichspresse annoncieren, rätder Staatsanwalt. »Es kann doch sein, dass der Kerl zwischendurch mal eine Zeitung aufschlägt. Anzeigen unter Vermischtes finden ja das größte Interesse, abgesehen von Sport und Serien natürlich. Aber ich weiß nicht, ob was dabei rauskommt. Wie soll die Polizei nach jemandem forschen, der Nils heißt? Da gibt es wohl eine halbe Million Kerle, die Nils heißen in diesem Lande. Nein, sie muss es wohl nehmen, wie es ist, und sich damit abfinden, dass der Vater unbekannt ist.«
Das alles sagt Rune natürlich nicht. Er sagt nur, wie es ist, dass keiner gefunden wurde, der als Kindsvater in Frage kommt.
Damit ist es wieder still am Tisch. Elna
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