Daisy Sisters
außen auf dem Küchensofa und sieht aus dem Fenster. Vater atmet schwer und müde, es rasselt und quietscht, als ob jeder Atemzug eine Plage wäre. Und das ist es ja auch.
»Wer ist er?«, sagt er schließlich.
Wer er ist? Das fragt sie sich auch. Einen Vornamen kann sie ihm geben, sogar an seine Militärnummer erinnert sie sich. Und eine Personenbeschreibung: lang wie eine Stelze, pickelig, schüchtern (sie hört ein höhnisches Lachen in sich), zeugungsfähig wie kaum jemand. Ein Soldat, ein Neutralitätsbewacher. Von irgendwo in Schweden. Sie sagt, wie es ist, sie weiß nicht mehr. Das folgende Schweigen ist lang, sie fragt sich, was Vater denkt. Als sie sich vom Fenster abwendet, sieht sie, dass er direkt auf das Tischtuch niederstarrt.
Sie kann es nicht lassen.
»Papa«, sagt sie, ein Wort, das sie fast nie anwendet. »Papa, du musst mir helfen.«
Er starrt weiter auf das Tischtuch, aber er antwortet ihr, indem er eine neue Frage stellt. »Willst du ihn haben?«
Nein, das will sie nicht. Um nichts in der Welt.
»Aber wir müssen in jedem Fall nach ihm forschen«, fährter fort. »Er soll wenigstens bezahlen, und vielleicht interessiert es ihn ja, dass er ein Kind bekommen hat. Oder bekommen wird. Und falls er nicht daran interessiert ist, so schadet es wohl nicht, wenn er es trotzdem erfährt.«
Es ist, als hätten sie eine Rinne ins Eis geschlagen. Er seufzt und sieht sie an.
»Ich wollte das nicht«, sagt Elna. »Aber er hat mich geschlagen, und ich konnte mich nicht wehren.«
»Er hat dich geschlagen?«, sagt er, und sie sieht, dass es in seinem Gesicht zu zucken beginnt. Herrgott, er ist ja tatsächlich nahe daran zu weinen. Aber er beherrscht sich wie gewöhnlich.
»Ja«, sagt Elna.
»Ich kann wohl schlecht den Vater des Kindes meiner eigenen Tochter umbringen«, sagt er mit zitternder Stimme. »Aber ich würde es gern tun. Nur, dass du es weißt.«
»Wenn du willst, verschwinde ich von hier«, sagt Elna. »Dann entgeht ihr der Schande.«
»Wo könntest du schon hin?« Seine Stimme verrät mehr Unruhe als Erstaunen, und sie ist sich plötzlich sicher, dass er sie doch noch gern hat.
Aber dann bricht es plötzlich aus ihm heraus, die Wut folgt immer der Milde auf den Fersen.
»Wohin, zum Teufel, könntest du denn gehen?«, brüllt er. »Raus auf die Straße?«
Weiter kommt er nicht, ehe Mutter in der Kammertür steht. »Nicht so laut«, ermahnt sie. »Denk an die Nachbarn.« Und natürlich regt das Vater noch mehr auf, nie wird sie sich merken, dass die Nachbarn etwas sind, um das er sich den Teufel schert. Was die hören oder nicht, daran verschwendet er keinen Gedanken. Denn wenn man das täte, müsste man sich mit kleinen Zetteln verständigen, um ganz sicher zu sein, dass nichts durch die Wände sickert.
Die Nachbarn? Was, zum Teufel, haben die mit der Sache zu tun? Er steht auf, zieht sich die Strickjacke an und geht.
Zu Elnas Verwunderung beginnt Mutter nicht mit ihrem gewöhnlichen Klagen, als er gegangen ist. Im Gegenteil, sie setzt sich an den Tisch, streicht die Schürze glatt und fragt vorsichtig, wie es Elna gehe.
Das ist so aufsehenerregend, dass Elna neugierig wird. Sie kann sich nicht erinnern, wann Mutter zuletzt so freundlich war. Das muss irgendwann gewesen sein, als sie sehr klein war. Ansonsten gab es immer nur Ermahnungen, Fragen, neuerliche Ermahnungen. Elna sieht, dass sie wirklich meint, was sie sagt.
»Natürlich fühl ich mich beschissen«, antwortet Elna. Mutter sagt ihr seltsamerweise nicht, dass sie aufhören solle zu fluchen.
»Wir müssen das Bestmögliche aus der Situation machen«, sagt Mutter vorsichtig. »Wir müssen uns an das Neue gewöhnen. Wie es nun auch gehen soll. So eng, wie es hier ist.«
»Ich verschwinde«, sagt Elna. Als Mutter fragt, wohin, antwortet sie nicht, denn sie hat ja nichts darauf zu sagen.
So geht es ein paar Tage, und Elna merkt, dass beide Eltern versuchen, ihr zu helfen, sie aufzumuntern, ihr Halt zu geben, aber dass das nie gleichzeitig geschieht. Es ist, als ob sie voreinander ausweichen. Wenn alle zusammen sind, sagt man überhaupt nichts. Nils grinst, aber er ist nicht unfreundlich, nur peinlich berührt, weiß nicht, wie er sich verhalten soll. Und Arne steckt ihr Karamellen zu und blinzelt unsicher.
Nach einigen Tagen kommt ein Bescheid von Habichtnase aus der weißen Villa: Man erwartet, dass Elna so lange wie möglich ihrer Arbeit an ihrem alten Arbeitsplatz nachkommt. Der gezahlte Vorschuss ist sicherlich eine
Weitere Kostenlose Bücher