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Daisy Sisters

Titel: Daisy Sisters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Viggo Wiberg, einer nach dem anderen. Aber kein Protest hilft, Vorarbeiter Svanslös hat Order vom leitenden Ingenieur bekommen.
    »Jetzt haut ab und arbeitet. Ich kann da auch nichts machen …«
    »Ruf den Funktionär an.«
    »Ihr könnt doch verdammt noch mal keine Gewerkschaftssitzung während der Arbeitszeit abhalten!«
    »Nein, aber er soll zur Frühstückspause in der Kantine sein. Und wenn es etwas länger dauert, so drückst du ein Auge zu.«
    »Nein, das kann –«
    »Scheißkerl, natürlich kannst du das«, unterbricht Liisa.
    Funktionär Nilsson kommt atemlos von der Färberei. Er ist schwarz an den Händen, und das graue dünne Haar steht ab. Er gerät mitten in die aufgeregte Schar, und da wird die verblüffende Tatsache offenkundig, dass er gar nicht informiert wurde, obwohl er der höchste Gewerkschaftsmann in der Fabrik ist.
    »Das können wir nicht zulassen«, brüllt jemand direkt in seine Ohren.
    »Nein«, antwortet er. »Aber … Wartet mal! Ich werde versuchen, Levin zu erwischen, und hören, was das soll.«
    »Und ihm sagen, dass wir den Akkordlohn haben wollen!«
    »Ja, verdammt noch mal. Schrei nicht so. Ich höre …«
    Nilsson stürzt fort, und sie können frühstücken.
    »Warum sind sie so aufgebracht?«, fragt Eivor.
    »Weil die Ingenieure glauben, sie könnten mit uns Heu aufschichten, wie sie wollen.«
    »Heu aufschichten?«
    »Sie meint, dass sie machen, was sie wollen. Bist du übrigens in der Gewerkschaft, Mädel?«, fragt Evald Larsson.
    Der griesgrämige Larsson, der mindestens drei Becher Kakao zu jedem Frühstück trinkt. Seine Frage ist vorsichtig formuliert, aber Eivor ahnt eine gewisse Mahnung hinter den Worten. Nein, sie ist nicht danach gefragt worden. Niemand hat etwas gesagt.
    »Du solltest dich der Textil-Gewerkschaft anschließen«, sagt er. »Wir können keine Leute brauchen, die nicht organisiert sind. Denn du willst ja nicht morgen hier aufhören?«
    »Nein, nicht direkt.«
    »Ich werde mit Nilsson sprechen.«
    Bis zur Mittagspause ist es Betriebsrat Nilsson gelungen, Zugang zu den heiligen Räumen der Direktion zu erlangen, wo unter anderem der leitende Ingenieur Levin residiert. Es geht offenbar darum, dass kein Akkordlohn gezahlt wird, bis die Produktion wieder normal läuft.
    Das ist alles, was der Funktionär den Arbeitern der Zwirnerei mitteilen kann.
    »Dagegen müssen wir uns wehren«, sagt Evald düster.
    »Ich glaube nicht, dass ich dazu raten kann«, sagt der Funktionär ebenso düster, »könnt ihr euch nicht bis morgen gedulden? Levin sagte doch … Wartet wenigstens bis morgen, dann kann ich etwas Zeit gewinnen, um herauszufinden, was eigentlich geschehen ist.«
    Aber das bekommt er nicht heraus. Es ist ein Geheimnis, das im stillen Kämmerchen der Ingenieure bleibt, weit weg vom ohrenbetäubenden Dröhnen der Maschinenhalle. Denn es kann nicht ratsam sein, die Arbeiter wissen zu lassen, dass zwei Verträge ohne Ankündigung plötzlich gestrichen wurden.
    Der leitende Ingenieur Levin bekommt am Nachmittag Bescheid, dass in der Zwirnerei Unruhe herrscht. Er weist das Lohnbüro an, allen, die sich daran beteiligen, den Lohn zu kürzen. Vorarbeiter Hansson soll herumgehen und aufpassen, dass kein Unschuldiger betroffen ist.
    Der leitende Ingenieur Levin ist siebenunddreißig Jahre alt, ein Mann, der der Veränderung in der Industriewelt folgen kann. Er versteht, welche Produkte eine Zukunft haben, welche nicht. In fünf, sechs Jahren wird es Zeit für ihn werden, sich nach einem neuen Job umzusehen, denn danach wird Konstsilke wohl bald geschlossen werden. Das weiß er jetzt schon. Wenn also die ersten Vorzeichen zur Überraschung der Arbeiter auftauchen, haben er und die anderen Ingenieure ihr Haus schon bestellt. Die Welt dreht sich am ruhigsten ohne unnötige Abweichungen von dem Prinzip, dass der, der zuerst an der Mühle ist, auch zuerst mahlen darf …
    Sie setzen sich in der letzten Stunde des Arbeitstages zusammen, machen nur noch die Maschinen fertig, mit denen sie gerade beschäftigt sind. In einer Ecke der Maschinenhalle gibt es mehrere große Stoffballen, das ist der einzige Sitzplatz, abgesehen von den Toiletten, deren Türen man selbstverständlich nicht abschließen kann. Auf diesen Stoffballen lassen sie sich nieder, die Maschinen kommen allein zurecht.
    Vorarbeiter Hansson geht unruhig herum, schüttelt den Kopf, als wäre er Zeuge einer zutiefst unmoralischen Handlung. Und das ist die Sache in seinen Augen ja auch. Betriebsrat Nilsson

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