Daisy Sisters
Ritva nicht entdecken,und nach kurzem Zögern ist sie einverstanden, dass er sie nach Hause fährt. Sie glaubt nicht, dass sie etwas zu befürchten hat, er wirkt ja nicht aufdringlich.
Er hat einen Amazon, in den er offensichtlich viel Arbeit und Liebe gesteckt hat. Der Lack glänzt, die Sitze sind mit rotem Plüsch überzogen, und es riecht nach Rasierwasser.
»Ich kenne mich hier in der Stadt ganz gut aus«, sagt er. »Sag mir einfach die Adresse.«
Er biegt vor dem Haus ein, er hat ohne Umweg hingefunden. »Darf ich mit hochkommen?«, fragt er.
»Nein«, antwortet Eivor.
»Sehen wir uns morgen? Vielleicht zum Kino?«
»Ja …«
»Im Skandia läuft ein Film, der ganz gut sein soll. Das Totenschiff . Das ist ein deutscher Film. Mit dem berühmten … Wie heißt er gleich noch …«
»Horst Buchholz?«
»Genau. Der. Ich kann dich hier abholen. Oder wir treffen uns unten in der Stadt.«
»Lieber dort.«
»Sollen wir sagen bei Cecil?«
»Ja.«
»Gehen wir in die erste oder zweite Vorstellung?«
»Das ist mir egal.«
»Dann gehen wir in die zweite. Vorher können wir noch einen Kaffee trinken. Um sieben Uhr?«
»Ja.«
»Soll ich dich nicht abholen?«
»Ich komme lieber in die Stadt.«
Warum sie nicht abgeholt werden will, weiß sie nicht so recht. Um sich nicht allzu interessiert zu zeigen, ihn auf Abstand zu halten? So ist es wohl …
Die Konditorei Cecil befindet sich im Haus vor dem KinoSaga. Auf der Treppe hinauf ins Lokal stolpert Eivor und schlägt sich fast die Stirn auf. Das ist kein geglückter Start in den Abend. Einen Augenblick bleibt sie auf der Treppe stehen und überlegt, ob sie umkehren soll, aber dann kommen Leute, die hinauswollen, und sie geht weiter. Es ist offensichtlich eine Art Rockercafé. Zumindest ist es ein Ort, an dem sich Eivor sofort zu Hause fühlt. Die Jugendlichen, die dort sitzen, sehen aus wie sie, in Lederjacken und engen langen Hosen, hochgeschlossenen Pullovern über straffen Büstenhaltern, blondiert und geschminkt, schwarz umrandete Augen und rosa Lippen. Eine Jukebox dröhnt, es ist natürlich Elvis – außerdem ein Song, den sie selbst besitzt, King Creole , und sie schaut sich im Lokal um nach Tom, dem Automechaniker, aber der ist wohl noch nicht gekommen, und die Uhr an der Wand zeigt auch erst zehn vor sieben. Nachdem sie sich einen Kaffee bestellt hat, setzt sie sich an einen Tisch und kramt ein Päckchen John Silver hervor. Es kommt nicht oft vor, dass sie raucht. Wie sehr sie sich auch bemüht hat, es will nie schmecken. Aber es ist gut, etwas zwischen den Fingern zu halten.
Der Kaffee ist lauwarm, die Zigarette schmeckt schlecht wie immer. Es wird sieben Uhr und etwas darüber, aber kein Tom taucht auf. Ein paar Minuten zu spät zu kommen gehört wohl dazu, ob man nun in Skene wohnt oder im Süden von Stockholm, denkt sie. Nie zu interessiert wirken, wie sehr man es auch ist. Mädchen können warten, und Eivor macht da natürlich keine Ausnahme. Es ist warm und gemütlich genug im Lokal, die Jukebox wechselt ununterbrochen die Platten, und er wird wohl auf jeden Fall rechtzeitig zum Film kommen. Wie lange braucht man zu Fuß zum Skandia? Fünf Minuten, wenn man schnell geht und die Abkürzung am Fluss nimmt, nicht mehr … Lass dir ruhig Zeit, Tom Skene, ich sitze hier …
Aber er kommt nicht, es wird halb acht, acht. Eine Stunde. Also abgeblitzt, gewogen und zu leicht befunden! Sie ist nicht beleidigt, nur traurig. War sie zu abweisend gestern Abend, eine Braut, die nicht will, sondern die Tür zuschlägt wie eine Panzertür, eine Schnepfe …
Verdammt! Nach zehn, elf Tänzen im Park kann man wohl nicht jeden Beliebigen mit nach Hause nehmen! Oder kann man das, sollte man das können?
Wieder falsch also. Gewogen und zu leicht befunden …
Vielleicht hat sie sich verhört? Wollten sie sich vor dem Kino treffen? Sie war ja schon ziemlich müde gestern Abend. Verdammt! Zehn Minuten bevor der Film beginnt, kommt sie atemlos vor dem Kino an, das an einer der Brückenstraßen liegt. Aber im Foyer ist er nicht. Wenn sie eine Eintrittskarte kauft und hineingeht, sieht er sie vielleicht … Aber da ist niemand, der winkt oder ihr zuruft, als sie sich in dem dunklen Saal vorwärtstastet. Sie setzt sich in eine Reihe ganz an den Rand, es ist genug Platz, und nachdem der Film eine halbe Stunde gelaufen ist, versteht sie auch, warum; ein richtiger Scheißfilm ist das, nicht einmal Horst Buchholz ist gut.
Es ist kalt, als sie zurück zum Busbahnhof geht.
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