Dalamay (Mein Leben ging einen anderen Weg)
mich doch seit meiner Verlobung auch vermehrt damit beschäftigt. Doch auf einmal herrschte Stille. Man hätte eine Stecknadel fallen hören können. Ich schaute in die Gesichter der beiden Schwestern, die sich eine Ewigkeit nicht mehr gesehen hatten. Beiden liefen lautlos die Tränen herunter.
Wi e schön, so willkommen zu sein, dachte ich bei mir.
Alfred stand schon parat, um maman Sofie und dann auch mir aus der Kutsche zu helfen. Und dann fielen sich maman Sofie und ihre Schwester in die Arme. Weinten und lachten. Lachten und weinten. Louisa hatte viel Ähnlichkeit mit ihrer Schwester Sofie. Wenn auch älter, wenn auch runder! Wahrlich kein Bierfass, so stellte ich für mich undamenhaft fest, aber um einiges runder als maman Sofie. Und sie war kleiner als maman; Louisa ging mir kaum bis zur Schulter. Ihre Haare schlohweiß, gekleidet in ein gestärktes weißes Kittelkleid, drehte sie sich nun zu mir um und schaute mich durch ihre kleine Nickelbrille mit ihren kornblumenblauen Augen an.
„Meine Liebe“, sprach sie mich voll Wärme mit nicht mehr ganz akzentfreiem Deutsch an. „Ich danke Ihnen von ganzem Herzen, dass Sie mir meine Schwester gebracht haben.“
Ich konnte nur stumm nicken und gab ein Lächeln zurück. Aber schon einen Moment später fand ich mich in ihren Armen wieder, die mich fest und warm an ihre Brust drückten. Mir barst fast das Herz bei so viel Herzenswärme. Und wieder fragte ich mich in diesem Augenblick, in was für ein Haus, mit was für einer Familie ich hineingeboren worden war. Doch schon hatte Louisa mich losgelassen, um sich wieder maman Sofie zu widmen. Noch einmal umarmten sie sich und dann bat Louisa uns, ihr um das Haus zu folgen, um eine Erfrischung zu uns zu nehmen. Als Heinrich, Alfred und Toby bei der Kutsche stehenblieben, um das Gepäck von maman Sofie aus der Kutsche zu holen und die Pferde zu versorgen, ging Louisa schnurstracks wieder den Weg zurück und lud die Männer, die ihre Schwester wohlbehalten zu ihr gebracht hatten, ebenfalls auf eine Erfrischung ein.
Hinter dem Haus gab es einen wunderschönen riesengroßen Garten, den man von vorne gar nicht richtig hatte sehen können. Schöne alte Bäume standen dort und überall, wohin das Auge auch blickte, blühten die schönsten Sommerblumen. Wir nahmen an der Rückseite des Hauses Platz, wo eine Art Veranda angelegt war. Zwei Stufen führten hinauf und wir nahmen auf breiten Stühlen, die mit weichen Kissen gepolstert waren, Platz. Louisa redete aufgeregt die ganze Zeit vor sich hin, strahlte ihre Schwester und uns an, tupfte sich immer mal wieder mit einem großen weißen Spitzentaschentuch die Augenwinkel und schenkte uns allen ein großes Glas gekühlten Weißweins ein. Als Heinrich abwinkte, da es noch zu früh am Tag sei, winkte Louisa nur resolut ab. „Dieser Wein ist so leicht, dass selbst ein Kleinkind ihn trinken könnte.“ Und schon hatte sie ihm mit diesen Worten ein Glas in die Hand gedrückt. Maman Sofie und ich schauten uns an und mussten angesichts seines Gesichtsausdrucks lachen. Während Louisa sich selbst ein Glas einschenkte, rief sie:
„Antoinette! Antoinette, unser Besuch ist da. Sei so lieb und bring das Wasser und ein paar Speisen heraus.“
Wie auf Kommando stand eine Frau in den Fünfzigern im Türrahmen, der auf die Veranda führte. Ihre bereits grauen Haare waren zu einem strengen Dutt aufgesteckt, aber ihre blitzenden wachen Augen, in der Farbe von Veilchen, zeigten mir einen wachen und offenen Geist. Sie trug ein gutsitzendes bunt geblümtes Kittelkleid und dazu bequeme blaue Tagespantoffeln. Wie Louisa war mir Antoinette auf den ersten Blick sympathisch.
Sie hielt bereits einen großen Krug mit frischem Wasser in der Hand, als wenn sie auf ihr Stichwort gewartet hätte. Antoinette huschte, nachdem sie den Wasserkrug abgestellt und uns alle auf das Herzlichste begrüßt hatte, wieder hinein, um einen kleinen Imbiss zu servieren.
Es gab Artischocken auf bretonische Art, wie ich sie auf der ganzen Reise so noch nicht gegessen hatte und fangfrische Garnelen in einem Calvados-Dip. Es schmeckte vorzüglich. Dann gab es noch kleine Makrelenfilets, die in Senf und Cidre mariniert waren. Dazu wurde selbstgebackenes Weißbrot gereicht. Und als wir alle schon gesättigt waren, nur ich hatte mir noch zwei Garnelen mit ein wenig Brot genommen, brachte Antoinette uns selbstgemachte Feigentörtchen. Wer wollte, konnte dazu einen Kaffee trinken, was die Männer auch alle taten. Wir Frauen,
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