Dalamay (Mein Leben ging einen anderen Weg)
einschließlich Antoinette, die für dieses Haus weitaus mehr als eine Hausdame war, was unschwer zu erkennen war, genehmigten uns noch ein Glas dieses herrlichen leichten Weißweins. Wir plauderten von den Erlebnissen unserer Reise, in dem Wissen, dass diese jetzt endgültig ihr Ende gefunden hatte.
Und viel zu schnell räusperte sich Heinrich entschuldigend. „Es wird sowieso schon recht spät werden, bis wir in Pointe du Raz ankommen, wenn wir es heute überhaupt noch schaffen. Vielleicht werden wir unterwegs doch noch einmal übernachten müssen.“
Jetzt war also der gefürchtete Moment des Abschieds gekommen. Ich schluckte schwer, wollte ich doch den Abschied gerade für maman Sofie nicht so schwer machen. Wir würden uns ja schon in ein paar Wochen wiedersehen. In den mir nun bevorstehenden Wochen wartete in meinem neuen Heim sicher viel Arbeit auf mich. Überhaupt würde ich mehr zu tun haben als in meinem ganzen bisherigen Leben zuvor. Und überhaupt … hatte ich nicht den Hauch einer Ahnung, was mich erwartete. Ich schluckte abermals schwer. Dann endlich fühlte ich mich in der Lage, mich in Richtung von maman Sofie zu drehen. Sie versuchte mir aufmunternd zuzunicken, was ihr aber nicht gelang. Und irgendwie war es gerade dieser Gesichtsausdruck von ihr, der mir Stärke und Mut verlieh. War doch auch ich ihr nicht egal. Hatte doch auch ich einen Platz in ihrem Herzen eingenommen. Es gab also Menschen, denen ich etwas bedeutete. Und mit dieser Stärke im Herzen nahm ich maman Sofie in die Arme und drückte sie an mich. Und auch sie legte die Arme um mich und für einen Moment ihren kleinen Kopf an meine Schulter. Dann rückten wir ein wenig voneinander ab und schauten uns tief in die Augen. Ja, wir wussten viel voneinander. Wir wussten Dinge voneinander, die nur wenige Menschen wussten oder überhaupt niemand. Das verband uns um noch so vieles mehr.
Maman Sofies Schwester verstand, was sie sah und nahm uns beide in ihre Arme und sagte in ihrem entzückenden Mix aus Deutsch, Französisch und Bretonisch : „Wir werden alles arrangieren. Du, mein liebes Kind, wirst Dich in Deinem neuen Heim ein wenig einrichten und dann brauche ich bestimmt eine kleine Pause von meiner kleinen Schwester.“ Wir mussten lachen angesichts dieser putzigen, nicht ernstgemeinten Aussage in Richtung von maman Sofie. Ein letztes Lachen, ein letztes Versprechen, noch einmal ein gutes Zureden, eine letzte Umarmung und dann war es soweit.
Heinrich öffnete die Tür für mich, die in das Innere der Kutsche führte. Wieder einmal. Und doch so ganz anders. Dieses Mal nur für mich. Keine maman Sofie mehr, die mich begleiten würde. Nur noch für mich. Wieder musste ich schwer schlucken. Heinrich, Toby und Alfred dankten Louise und Antoinette für ihre Gastfreundschaft und auch dann kam für sie der Moment des Abschieds von maman Sofie, wenn auch nur ein vorübergehender, denn sie würden maman Sofie wieder mit zurücknehmen in ihre Heimat. Und trotzdem standen diesen drei gestandenen Männern die Tränen in den Augen; vor allen Dingen dem jungen Toby, der auf dieser Reise ein ganz besonderes Verhältnis zu maman Sofie entwickelt hatte.
Wie gut, dass wir nicht wussten, was die Zukunft für uns bereithielt. Ich weiß nicht, was dann passiert wäre. Ich weiß nicht, was ich dann getan hätte. Ich weiß nur, dass vieles, alles, dann ganz anders gekommen wäre. Wie auch immer. Aber keiner von uns hatte eine Ahnung von der Zukunft!
Kapitel 3
Pointe du Raz
Nach einer kurzen Strecke heraus aus Carhaix-Plouguer hielt die Kutsche an. Heinrich öffnete den Wagenschlag und schaute herein. Ich selbst hatte mich in die äußerste Ecke des Kutscheninneren verzogen. In meiner Traurigkeit gefangen sah ich ihn dennoch verdutzt an. Wir waren noch nicht wirklich lange unterwegs. Gab es ein Problem mit der Kutsche? Jetzt? Auf dem letzten Stück des Weges in meine ungewisse Zukunft?
„Wir haben uns doch länger als gedacht bei der Schwester von maman Sofie aufgehalten. Es wird mitten in der Nacht sein, bevor wir noch Pointe du Raz erreichen. Was meinen Sie? Wollen wir noch einmal einen kleinen Zwischenstopp einlegen? Alfred hat mir da von einem ganz entzückenden Gasthof, nicht allzu weit entfernt von Pointe du Raz, erzählt. Dort soll es die besten Jakobsmuscheln in Tomatensauce geben. Wollen wir uns das etwa entgehen lassen?“
Diese drei guten Menschen wollten mich noch nicht gehen lassen, wollten unsere Gemeinschaft, die auf
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