Dalamay (Mein Leben ging einen anderen Weg)
dieser Reise entstanden war, nicht zu diesem Zeitpunkt gänzlich auflösen. Ich verstand. Mir ging es ja genauso. Langsam löste ich mich aus meiner Starre und lächelte Heinrich an. „Ja, Heinrich, wir sollten es uns wirklich nicht entgehen lassen, ein weiteres gutes Gasthaus kennenzulernen.“
Er lächelte zurück, schloss den Wagenschlag und weiter ging es zielgerichtet und schnell Pointe du Raz entgegen. Doch würde es einen kleinen Aufschub geben.
Aber nicht nur wegen des Aufschubs war es gut, noch einmal Rast zu machen. Selbst bei diesem entzückenden Gasthaus kamen wir schon reichlich spät an und es wäre mindestens Mitternacht geworden, bevor wir Pointe du Raz erreicht hätten. Trotz der späten Stunde freuten sich die Gastwirte, noch vier Gästen ein Nachtquartier anbieten zu können. Toby kümmerte sich darum, dass die Pferde gut versorgt waren. Währenddessen bezogen wir unser Quartier, um uns nachher alle zu einem kleinen Nachtmahl zu treffen, dass die Wirtin liebenswerterweise noch bereit war, uns zuzubereiten. Es waren zwar keine Muscheln in Tomatensauce, sondern eher deftige Hausmannskost, aber mit einer so würzigen Geschmacksnote, dass wahrlich niemand etwas auszusetzen hatte.
Ich hatte nie viel Geld besessen. Warum auch? Es war ja immer alles von meinen Eltern bezahlt worden. Aber im Laufe der Jahre hatte es doch mal die eine oder andere Münze gegeben. Und ausgegeben hatte ich ja nie etwas. Für was auch? Für wen? Und so fragte ich den Wirt, ob er so nett sei und uns seinen besten Wein kredenzen würde. Heinrich lächelte und zog außer der Reihe die Geldbörse, die noch immer recht gut gefüllt war. Ich aber schüttelte den Kopf und sagte ihm, dass dieser Tropfen nicht aus der Börse meiner Familie bezahlt werden sollte. Jedenfalls nicht direkt. Selbst hatte ich ja nie Geld verdient. Heinrich schaute mich, ebenso wie Alfred und Toby, verdutzt an. „Es ist doch noch reichlich Geld von Ihrem Vater da. Er war mehr als großzügig.“
„Ja“, so antwortete ich, „ in dieser Hinsicht gab es wahrlich nie Klagen.“ Heinrich schaute Toby und Alfred wissend an. Ja, meine ach so einfache Familiengeschichte war längst kein Geheimnis mehr.
„Heinrich , Toby, Alfred. Ihr drei, was soll ich großartig sagen? Ihr wisst, wie sehr Ihr mir ans Herz gewachsen seid auf unserer Reise, nicht wahr?“
Sie nickten und diesmal war es Alfred , der sprach. „Und Ihr uns erst einmal, Madame! Sie und maman Sofie! Noch nie in unserem ganzen Leben sind uns zwei Menschen begegnet, die so ohne Standesdünkel sind, so lieb, so um andere bemüht.“ Ich schaute Alfred mit großen Augen an. Das hatte ich nicht erwartet. Ich schaute Heinrich und Toby an und diese konnte nicht anders, als zu den Worten Alfreds zu nicken. Bevor ich etwas sagen konnte, fuhr Alfred fort. „Schon lange habe ich das Glück, mit Heinrich, und später dann auch mit Toby, lange Fahrten unternehmen zu dürfen. Immer, wirklich immer, war ich dankbar dafür, mit ehrlichen Menschen mein Tagewerk verrichten zu dürfen.“ Alfred schluckte schwer, ließ sich aber nicht davon abbringen, weiter zu sprechen und fuhr fort. „Aber nie, noch nie in meinem, nein, in unserem ganzen Leben, haben wir eine so wundervolle Fracht mit uns geführt.“
In diesem Moment sah ich wohl gleichzeitig in die Augen von Heinrich, Toby und Alfred. Sah d eren Mienen und verstand. Verstand, was Alfred gesagt hatte und konnte gar nicht anders, als ihn auf der Stelle zu umarmen und auf beide Wangen zu küssen. Konnte gar nicht anders, als mit Heinrich und Toby genau so zu verfahren. Wir tranken den guten Tropfen Wein noch aus und zogen uns dann in unsere Zimmer zurück. Es war recht spät geworden, aber das war uns allen egal. Noch lange lag ich wach in meinem bequemen Bett und holte mir auch diesen Tag in jeder Einzelheit in meine Erinnerung zurück. Ich hatte Freunde gefunden. Diese Freunde würden einschließlich maman Sofie zwar bald wieder nach Saarlouis zurückreisen, aber eines Tages könnte ich ja maman Sofie besuchen. Aber morgen erst einmal würde ich meine neue Heimat kennenlernen. Und morgen würde ich auch Jacques wiedersehen. Wie ihm wohl zumute ist? Ob er sich an mich gewöhnen wird? Ob er sich ein wenig auf meine Ankunft freut? Würde es noch Flitterwochen für uns geben? Und dann die große Frage nach der ersten gemeinsamen Nacht. Wie würde es sein? Wie würde es sein, wenn ich Mutter einer Tochter oder eines Sohnes bin? Ich fand in dieser Nacht noch
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