Damals im Dezember
konterte sie und lehnte sich gegen ihn.
»Nun, das wirft interessante Fragen auf«, sagte Candace. »Wie viel ist genug? Sind wir für die Gier oder für das Gute geboren worden? Und schließlich: Was heißt gut?«
» Das ist die richtige Frage«, befand Sean. »Gier ist gut.«
» Gott ist gut«, meldete sich James zu Wort. Er hatte so wenig gesagt, dass ich seine Anwesenheit fast vergessen hatte.
»Es mag dich überraschen«, sagte Sean und wandte sich James zu, »aber erstens widerspreche ich dir gar nicht, mein doppelt geborener Freund. Wenn du an Gott glaubst und daran, dass Gott gut ist, dann wäre es falsch, das Gute, dass Er geschaffen hat, nicht anzuerkennen. Es wäre, als würde man den Baum verehren, aber seine Früchte meiden. Gott ist im Streben nach den Freuden dieser Welt zu finden.«
»Also bist du heute ein Hedonist«, stellte Marshall fest.
»Ein Hedonist und ein Gläubiger. Denk mal drüber nach. Wenn du an den einen allmächtigen Schöpfer glaubst, dann sieh dir an, was Er geschaffen hat: Die sinnlichen Freuden – Essen, Trinken, Fleischeslust –, das sind seine Schöpfungen, nicht unsere, und sie sind zu unserem Genuss erschaffen worden. Und das ist der einzige Gott, den zu verehren sich lohnt, der eine, der uns erschaffen hat …«
»Oder den wir erschaffen haben«, unterbrach ihn Marshall.
»… oder den wir erschaffen haben«, stimmte ihm Sean zu. »Der Gott, der will, dass wir wahre Freuden erleben. Alles darunter ist Masochismus. Und das ist Lucys Geschäft, nicht meins.«
Lucy grinste.
»Sie muss eine Masochistin sein, wenn sie bei Marshall bleibt«, sagte Suzie.
Sean hob sein Bierglas. »Auf die Gier, den Hedonismus und den Einen Wahren Gott, der sie der Welt gegeben hat.«
Candace hatte recht. Ihre Freunde waren alles andere als langweilig.
Sechstes Kapitel
Was für einen Unterschied es macht, einen Freund zu haben …
Aus dem Tagebuch von Luke Crisp
Candace und ich verließen das Smokey Joe’s ein paar Stunden später. Es war dunkel draußen und kühler geworden, was uns zu einem schnelleren Schritttempo zwang.
»Also, was hältst du von meinen Freunden?«, fragte Candace.
»Sie sind interessant.«
»Interessant auf gute oder interessant auf schlechte Art?«
»Mit ihrem Geplänkel mithalten zu wollen ist, als befände man sich auf einem geistigen Laufband«, antwortete ich.
Sie lachte los, und ihr Lachen hatte einen süßen, frohen Klang. »Genau. Manchmal hat man das Bedürfnis, sich sinnlos zu betrinken, wenn man mit ihnen zusammen ist. Ich nehme sie nie allzu ernst, aber ab und zu sagen sie etwas, über das es sich lohnt nachzudenken.«
»Ich nehme mal an, dass Sean der Anführer ist?«
»Mehr oder weniger.«
»Erzähl mir was über ihn.«
»Sean ist der Sohn eines sehr vermögenden Bostoner Investmentbankers. Er ist ausgesprochen weltgewandt, weißt du? Er ist so was wie ein College-Schamane; er hat ein erstaunliches Gespür – kennt jede Party und kommt überall rein. Er ist sympathisch, findest du nicht?«
Ich nickte. »Er ist sehr charismatisch.«
»Ja, das ist er. Ich bin mir sicher, dass er dich mochte.«
»Woher willst du das wissen?«
»Wenn nicht, würdest du es merken, glaub mir.« Sie strich sich das Haar aus dem Gesicht. »Lucy und Suzie stehen beide auf ihn.«
»Ich dachte, Lucy würde mit Marshall gehen.«
»Tut sie auch. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass das eine Verlegenheitslösung ist. Alle Mädchen wollen Sean.«
»Du auch?«
»Anwesende ausgenommen. Sean ist nicht gerade ein Fundament, auf das man bauen kann, wenn du weißt, was ich meine.«
»Gehen sie alle an die Wharton?«
»Nein. Lucy macht gerade ein Grundstudium an der Uni, Suzie ebenso. Ich glaube, sie studiert im Hauptfach Kunst. Sean und Marshall haben sie in einem Club kennengelernt.«
»Und was ist mit James? Er scheint nicht recht zu Sean und Marshall zu passen.«
»Nein. Ich weiß nicht, warum er sich mit ihnen abgibt. James kommt aus einer Militärfamilie, also ist da kein Geld im Hintergrund. Er studiert mit einem Stipendium an der Wharton, und er arbeitet nebenbei. Ihm gehört ein Büroreinigungsunternehmen.«
»Er wirkt ernster als die anderen.«
»Das ist er auch. Er versäumt viele unserer Treffen, um wirklich zu studieren. Er ist auch der Einzige aus der Gruppe, der in die Kirche geht, worüber sich Sean gern lustig macht.«
»Aber warum ist er dann mit ihnen zusammen?«
»Wie gesagt, ich weiß es nicht so genau. Vielleicht glaubt er, er könnte
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