Damals warst du still
eine weite, flache, mondbeschienene Landschaft. So weiß und starr wie Eis. Mona bremste. Bauer sah erstaunt zu ihr herüber, als sie die Zündung ausschaltete, die Wagentür öffnete und ausstieg. Schließlich machte er es ihr nach und stieg ebenfalls aus.
Tiefe Stille lag über der Landschaft. Ganz entfernt hörten sie das Röhren eines hochgetunten Autos, sonst gab es kein Geräusch. »Wahnsinn«, sagte Bauer mit atemloser Stimme. Mona sah zum Himmel hinauf, auf dem ein schartig aussehender Vollmond alles überstrahlte, selbst das Licht der Sterne. Zu Hause warteten Anton und Lukas, aber Mona machte sich keine Sorgen. Lukas schlief wahrscheinlich längst. Er war vierzehn Jahre, er brauchte seine Mutter nicht mehr so sehr, wie noch vor zwei Jahren. Und er hatte einen guten Vater.
Auch wenn gewisse Behörden …
Sie hörte auf, daran zu denken. Einfach so, ganz mühelos. Alles schien plötzlich sehr weit weg zu sein. Mona lehnte sich an die warme Kühlerhaube, zündete sich eine Zigarette an und hielt Bauer die Schachtel hin. Er lehnte sich neben sie und nahm eine Zigarette. Schweigend rauchten sie nebeneinander in dieser unwirklichen Atmosphäre, die dazu verführte, alles Gewohnte zu vergessen. Scheinbar unverbrüchliche Überzeugungen mündeten in neue Fragen, Wege schienen sich aufzutun, von deren Existenz sie nichts geahnt hatte.
Ich bin wie auf Droge, dachte Mona plötzlich. Sie warf die Zigarette auf den staubtrockenen Boden, und trat sie sorgfältig aus.
»Lass uns weiterfahren«, sagte sie zu Bauer, der nickte und gehorsam auf der Beifahrerseite einstieg. Langsam fuhren sie auf die Landstraße zu, die sie zurückbringen würde in ihren Alltag.
»Ihr habt euch ganz gut verstanden, oder?«, fragte Mona in beiläufigem Ton.
»Ja«, sagte Bauer. Mona bog auf die Landstraße und gab Gas.
»Du hast gesagt, sie ist unglücklich. Ganz allgemein. Warum?«
»Sie hat gesagt, sie fühlt sich einsam hier draußen.«
»Einsam?«
»Ja. Sam – also der Sohn -, der hatte sein eigenes Auto und seine Freunde und war immer unterwegs.«
»Aber ihr Mann ist doch immer hier. Seine Seminare, oder wie man das nennt, die finden doch hier statt.«
»Ja, die finden in einem anderen Trakt im Haus statt. Aber davon ist er völlig in Anspruch genommen. Und sie hat eben nichts zu tun. Für den Haushalt haben sie eine Putzfrau und eine Köchin.«
»Sie langweilt sich.«
»Ja. Sie sagt, hier gibt’s ja auch nichts, um sich abzulenken. Sie sagt, Gersting ist total, na ja, tot. Hübsch, aber tot.«
»Patrick, hat sie irgendwas über den Mord gesagt? Beziehungsweise über beide Morde? Irgendwas?«
Sie fuhren durch Gersting, diesen unheimlichen, tatsächlich leblosen Ort. Mona sah nirgendwo ein Licht brennen, dabei war es doch noch nicht spät. Vielleicht gingen Bauern tatsächlich so früh ins Bett, wie es das Sprichwort von ihnen behauptete.
»Sie weiß nicht mehr als das, was sie uns schon gesagt hat. Sagt sie. Die Martinez kennt sie nicht mal vom Sehen. Sie hat nichts zu tun mit seinen Patienten.«
»Verdammt«, sagte Mona. »Ich kann mir nur vorstellen, dass es einer von denen war. Einer von seinen, na, den Teilnehmern seiner Seminare. Aber da gibt’s so viele, da ermitteln wir uns tot.«
»Einer wie Sonja Martinez? Einer der wegen irgendwas sauer war, was Plessen gesagt hat?«
»Ja. Er hat ziemlich komische Ansichten. Da könnte durchaus einer was falsch verstanden haben.«
»Und der rächt sich jetzt?«
»Scheint mir logisch zu sein. Und weißt du, was das Schlimmste ist? Wir müssen richtig schnell sein. Denn der hat noch einiges vor.«
24
Mittwoch, 16. 7., ca. 23.30 Uhr
David fühlte sich noch immer nicht besonders, aber er hatte es trotzdem nicht länger im Bett ausgehalten. Wenigstens war Sandy an diesem Tag mit der Kleinen zum Schwimmen an den Feringasee gefahren, und er hatte ein paar Stunden ganz allein in der heißen Wohnung dösen können. Sein Fieber war anschließend nicht mehr so hoch gewesen, und das hatte er zum Anlass genommen aufzustehen und Janosch Bescheid zu geben, dass er wieder fit war. Janosch hatte überrascht und erfreut reagiert, denn in der vergangenen Nacht hatte man ihn ausgerechnet mit dem Sagstetter zusammengesteckt, den er nicht ausstehen konnte.
Sandy war sauer gewesen, als sie mit Debbie nach Hause gekommen war und ihn in Jeans und T-Shirt am Küchentisch hatte sitzen sehen. David verstand nicht ganz, warum (was hatte sie von einem kranken Ehemann?), aber zum ersten Mal sah
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