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Damals warst du still

Titel: Damals warst du still Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa von Bernuth
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Martinez gesagt, nur nicht mit diesen harten Worten.
    »Woher wussten Sie das so genau? Wie kommen Sie dazu...«
    »Ich wusste es natürlich vorher nicht. Wir haben es im Verlauf der vier Tage herausgefunden.«
    »Welcher vier Tage?«
    »Jeder Seminarzyklus dauert vier Tage, von Dienstag bis Freitag. Die Teilnehmer kommen morgens um neun und gehen abends um sechs. Sie sind gehalten, während dieser Zeit abends nicht auszugehen und mit niemandem über den Inhalt des Seminars zu sprechen.«
    »Sonja Martinez ist umgebracht worden. Gibt es jemanden, dem Sie das zutrauen?«
    Falls Plessen über den abrupten Themenwechsel überrascht war, ließ er es sich nicht anmerken. »Nein«, sagte er.
    »Der Mörder von Sonja Martinez war wahrscheinlich auch der Mörder Ihres Sohnes.«
    Zum zweiten Mal während der Vernehmung war es Mona gelungen, Plessen aus der Reserve zu locken. Er wirkte plötzlich unruhig, auf seiner Stirn erschien eine feine, kaum sichtbare Schweißschicht, obwohl sich der Raum mittlerweile angenehm abgekühlt hatte. Mona war erstaunt. Wollte er ausgerechnet diese Wahrheit – denn eigentlich waren sie über Vermutungen doch längst hinaus – nicht sehen? Und wenn nicht, warum nicht?
    »Ich möchte Ihnen etwas zeigen«, sagte Mona langsam. Ohne Plessens Antwort abzuwarten, kramte sie in ihrer Tasche nach den Fotos von der Leiche. Als sie sie gefunden hatte, legte sie sie vor Plessen hin und zündete sich erneut eine Zigarette an. Plessen nahm die Polaroids in die Hand, aber er reagierte vollkommen anders als Heitzmann von der Abendzeitung. Er sah sich jedes einzelne der Bilder genau an, und auf seinem Gesicht erschien ein seltsamer Ausdruck: kein Ekel, nicht die Spur davon. Es sah eher wie Mitleid aus. Mona rauchte und beobachtete ihn schweigend. Schließlich legte er die Bilder ordentlich zusammen und schob den kleinen Stapel über den Glastisch zu Mona zurück. Mona ließ sie liegen, wo sie waren. »Jemand hat Ihren Sohn und Sonja Martinez umgebracht. Wir vermuten, diese beiden Morde waren nicht die letzten dieser Art. Bitte helfen Sie uns.«
    »Ich kann Ihnen nicht helfen«, sagte Plessen. Seine Stimme war rauer als vorhin, aber das konnte auch an dem Kummer liegen, den diese Bilder wieder in ihm ausgelöst hatten. Es konnte ganz normale Trauer sein. »Ihr Kollege... Als er mir das mit den Buchstaben gesagt hat...«
    »Und die Zunge«, sagte Mona, »die war herausgeschnitten. Wie bei Ihrem Sohn.«
    »Ja. Ach so. Ich meine, ich wollte sagen, ich habe wirklich nachgedacht über..., darüber. Ich habe einfach keine Ahnung, wer mir das antun will. Ich weiß, da muss mich jemand hassen. Aber ich weiß nicht, wer das ist. Verstehen Sie? Ich kenne solche Menschen einfach nicht. Ich hätte nie gedacht, dass ich jemals … Nie.«
    Ein alter Mann, kein Verführer mehr. Mona dachte nach. Schließlich drückte sie ihre Zigarette aus und sah auf die Uhr. »Wir brauchen die Listen all Ihrer – Klienten. Die aus den letzten drei vier Jahren, und die, die sich neu angemeldet haben. Alle.«
    »Das ist vertraulich.«
    »Nein. Bei Mord ist überhaupt nichts vertraulich.«

23
    Mittwoch, 16. 7., 22.33 Uhr
    Es war stockdunkel, als Mona und Bauer endlich wieder ins Auto stiegen. Auch diesmal versuchten die Fernsehteams und Zeitungsjournalisten ihnen den Weg zu versperren – erfolglos. Mona fuhr vorsichtig den holprigen Weg entlang, die Scheinwerfer tasteten sich durch das Wäldchen, das das Haus der Plessens von der Landstraße abschirmte. Als wollten sie sich verstecken, dachte Mona. Aber vor wem und warum?
    »Was hat sie gesagt?«, fragte Mona.
    »Ich weiß nicht«, sagte Bauer zögernd. Sie sah ihn kurz von der Seite an; sein junges Gesicht wirkte zum ersten Mal seit Wochen bei aller Müdigkeit relativ entspannt. Das Gespräch mit Frau Plessen schien ihm gut getan zu haben. Was nicht ganz der Zweck einer Vernehmung war, aber vielleicht in diesem Fall ein positiver Nebeneffekt. Falls etwas dabei herausgekommen war.
    »Ich weiß nicht«, wiederholte Bauer.
    Also nicht, dachte Mona.
    »Sie ist irgendwie...«
    »Ja?«
    »Unglücklich. Glaube ich.«
    Unglücklich. Tja, das war kein Wunder. Wenn das das ganze Ergebnis war. »Na ja«, sagte Mona vorsichtig, »das liegt ja auf der Hand. Dass es ihr nicht gerade gut geht, meine ich.«
    »Nein, nein. Sie ist generell unglücklich. Das war sie schon, bevor das mit ihrem Sohn passiert ist.«
    »Du meinst, die Ehe und all das?« Sie ließen das Wäldchen hinter sich und hatten vor sich

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