Damals warst du still
sich, um die Ergebnisse abzugleichen. Das Protokoll der Konferenz ergab folgende Fakten und Vermutungen:
1. Beide Morde hatten etwas mit Fabian Plessen zu tun. Ein Zusammenhang mit seinen Seminaren schien wahrscheinlich, denn:
2. Forster und Schmidt hatten Plessens umfangreiche Klientenliste durchtelefoniert. Sie erreichten in vier Stunden achtunddreißig Personen. Die meisten schwärmten von Plessens Seminaren. Viele gaben an, dass ihnen Plessen ein ganz neues, selbstbestimmtes Leben geschenkt hatte; hierbei handelte es sich meist um Leute, die bereits drei, vier Zyklen bei ihm absolviert hatten. Einige aber zogen vollkommen andere Resumees. Forster und Schmidt erfuhren, dass mindestens ein ehemaliger Klient Selbstmord begangen hatte. Ein weiterer befand sich seit der Therapie in psychiatrischer Behandlung; seine Frau gab Plessen die Schuld. Sie wurde vorgeladen.
3. Auch Sonja Martinez war vermutlich an einer Überdosis Drogen gestorben. Ob es Heroin war, ließ sich nicht mehr feststellen, zumindest aber gab es keine äußerlichen Verletzungen, keine Anzeichen für Gewaltanwendung. Ein natürlicher Tod hätte im Bereich des Möglichen gelegen, wären nicht die postmortal zugefügten Verletzungen am Unterleib gewesen.
4. Sonja Martinez hatte ihrem Mörder freiwillig die Tür geöffnet, Anzeichen für einen Einbruch gab es nicht. Das bedeutete: Sie hatte ihn entweder gekannt oder ihm vertraut.
5. Die Nachbarin von Sonja Martinez hatte einen Mann beobachtet, der möglicherweise der Täter war. Er war etwa 1,80 Meter groß, er trug vielleicht Jeans und ein T-Shirt mit Kapuze. Gesicht und Haare hatte die Nachbarin nicht sehen können, und auch zum Alter konnte sie keine Angaben machen. Sie glaubte, dass er »relativ schlank« war, wollte es aber nicht beschwören. Seine Stimme hatte sie nicht gehört. Sie wusste nicht einmal, ob Sonja Martinez ihn in ihre Wohnung gelassen hatte: Vielleicht war dieser Mann der Täter, vielleicht aber auch nur der Vertreter einer Drückerkolonne, der ein paar Zeitschriftenabos verkaufen wollte. Dagegen sprach allerdings, dass der Mann bei niemand anderem aus dem Haus geklingelt hatte.
6. Sonja Martinez’ Mädchenname lautete Nordmann. Fischer hatte nach einigen Telefonaten mit unterschiedlichen Meldestellen eine unverheiratete Schwester namens Lydia Nordmann ausfindig gemacht, die in Freiburg lebte. Tatsächlich schien die Familie so zerrüttet zu sein, wie Plessen es angedeutet hatte. Sonjas Schwester mit ihren drei Kindern hätte den Betrieb nicht leiten können, und da Sonja, die Älteste, den Textilbetrieb des Vaters nicht übernehmen wollte, hatte das mittelständische Unternehmen mit Verlust verkauft werden müssen. Der hart erarbeitete Wohlstand war schnell dahin gewesen. Sonja Martinez’ Vater war bald darauf an einem Herzinfarkt gestorben, die Mutter lebte schwer rheumakrank in einem Pflegeheim. Lydia Nordmann berichtete, vor sieben oder acht Jahren den Kontakt zu ihrer Schwester abgebrochen zu haben. Auch mit ihrer Mutter und ihrem Bruder habe Sonja Martinez nichts mehr zu tun gehabt. Somit stimmten die Angaben auf sehr erstaunliche Weise mit Plessens Interpretation überein.
7. Aufgrund des enormen Medienechos hatten sich schon am Vormittag mehrere Menschen gemeldet, die glaubten, Samuel Plessen vor seinem Tod gesehen zu haben. Sie waren allesamt vorgeladen worden, damit ihre Aussagen protokolliert werden konnten. Folgendes schien bereits sicher zu sein: Samuel Plessen hatte sich tatsächlich gegen zwölf Uhr am letzten Tag seines Lebens mehrere Stunden an einem Baggersee aufgehalten. Dort hatten ihn mindestens zwei Personen anhand der Fotos, die in Fernsehen und Zeitungen erschienen waren, identifiziert. Danach wurde er in einem Biergarten unweit Gerstings gesehen. Bei beiden Gelegenheiten schien er allein gewesen zu sein. Zumindest konnte sich niemand der Zeugen an eine Begleitperson erinnern (was nichts zu sagen hatte; das Gedächtnis der meisten Menschen war selektiv). Ab etwa 16.00, 17.00 Uhr desselben Tages verlor sich jede Spur. Aber vielleicht würden sich im Lauf des Tages noch mehr Zeugen melden.
8. All das bedeutete: enttäuschte Journalisten, die sich in wilden Spekulationen ergingen, weil es auf der PK um elf so wenig Neues zu berichten gegeben hatte. Nur die Abendzeitung konnte sich über den Scoop des Jahres freuen, denn die Story über eine Frau, die sich bei der Zeitung über einen zweifelhaften Therapeuten beschwerte und kurze Zeit später ermordet
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