Damenschneider
dass ich sie gerne einmal treffen wolle. Da fiel mir nichts Besseres ein, als ihr mitzuteilen, dass mich, als Polizist, ihre Geschichte dermaßen interessieren würde, dass ich alles genau wissen wollte.«
Mahnend hob Vogel seinen Zeigefinger.
»Du weißt hoffentlich, dass es sich hierbei um eine eigentlich unzulässige Vermengung von privaten und beruflichen Interessen handelt. Gehe ich fehl in der Annahme, dass du ihr Hoffnungen gemacht hast, die Untersuchung des Falles zu übernehmen – samt Exhumierung?«
Schelmisch blickte Walz seinen Kollegen an.
»Na ja, mit irgendeinem Schmäh muss man die Mädels ja von seinen Qualitäten überzeugen. Aber immerhin habe ich dabei das Opfer auf mich genommen, mir die gesamte Geschichte anzuhören, und das gleich mehrmals …«
»Mehrmals gleich?«
»Einmal, besser gesagt, zweimal am Telefon und dann später im Kaffeehaus nochmals«, Walz seufzte vernehmlich, »als seriöser Polizist muss man sich ja ein genaues Bild des Falles machen.«
»Sehr brav, Inspektor Walz, geradezu vorbildlich. Aber wenn ich dich so betrachte, scheint sie deine Mühe reichlich vergolten zu haben.«
»Das hat sie, in der Tat.«
Nach einer kurzen Pause, während der jeder seinen Gedanken nachhing, nahm Vogel den ihm zustehenden Zeitungsstapel zur Hand.
»Auch wenn diese Geschichte sehr interessant anmutet, so liegt sie doch außerhalb unseres eigentlichen Aufgabenbereichs – wie du weißt, o du mein Walz, haben wir es derzeit mit ganz anderen Problemen zu tun.«
Bedeutungsvoll blätterte er im zuoberst liegenden Exemplar der Gratiszeitung.
»Eigentlich ist das eine sehr praktische Sache. Steht doch alles drin, was der mündige Bürger zu wissen hat. Vielleicht sollte ich künftig mein Zeitungs-Abo kündigen und mit der U-Bahn fahren … schau, ein Sudoku ist auch drin, mit Farben, damit’s nicht so schwer ist, und sogar ein richtiges Kreuzworträtsel … Richtig knifflig ist das … oder weißt du die Abkürzung von ›Assessor‹ mit drei Buchstaben?«
»Bevor du dich in die sicherlich zeitaufwändige Lösung des Rätsels vertiefst, würde ich doch anregen, erst einmal die einzelnen Leserfotos durchzuschauen, um unserem gemütlichen Beisammensein während der Dienstzeit einen seriöseren Anschein zu verleihen«, sagte Walz leichthin, als ihn plötzlich ein erstaunter Ausruf seines Kollegen aus der Lektüre riss.
»Schau dir das einmal an: Ein Leserfoto als Titelbild! Erkennst du das Motiv? Der Brand in der Alser Straße!«
Tatsächlich war der Aufmacher das Bild eines brennenden Hauses, nicht ohne den in Rot gehaltenen Hinweis, dass dieser Schnappschuss der Zeitung 1.000 Euro wert gewesen war. In der dazu gehörigen Schlagzeile zeigte sich die Redaktion entsetzt über den »Feuerteufel in einem Wohnhaus am Alsergrund.« In dem kurzen Text darunter wurde die in großen Lettern aufgestellte Frage sogleich mit den dürren Worten relativiert, dass »die Polizei den ersten Untersuchungen zufolge ein Fremdverschulden nicht ausschließt«, wobei betont wurde, dass diese Aufnahme von einem Leser der »U-Bahn-Zeitung« »noch vor dem Eintreffen der Feuerwehr« gemacht worden war.
Dieser Fall hatte vor einigen Wochen tatsächlich die Nachrichten beherrscht und auch die Kriminalpolizei beschäftigt, da sich in dem Haus Wohnungen von Ausländern befanden und ein fremdenfeindlicher Anschlag nicht ausgeschlossen wurde, zumal im Keller Spuren von Benzin gefunden worden waren. Glücklicherweise waren mit Ausnahme einiger Bewohner, die eine Rauchgasvergiftung davongetragen hatten, keine Opfer zu beklagen gewesen.
»Und jetzt darfst du einmal raten, ob sich der Fotograf zu seinem Meisterwerk bekannt hat …«, sagte Vogel triumphierend, während sein Kollege beschwichtigend die Hände hob.
»Bevor wir uns zu voreiligen Schlüssen hinreißen lassen, sollten wir uns vielleicht noch die restlichen Exemplare anschauen, um dann, von der Realität untermauert, die richtige Schlussfolgerung treffen zu können.«
Tatsächlich stießen die beiden noch auf zwei Abbildungen von Geschehnissen, die das Eingreifen der Polizei nötig gemacht hatten. Eine davon entstand bei einer Schlägerei nach dem Fußballländerspiel zwischen der Türkei und Österreich, deren Fans sich nach einer so genannten »freundschaftlichen Begegnung« eine veritable Straßenschlacht geliefert hatten, sowie von einem schweren Verkehrsunfall auf dem Gürtel. Beide Aufnahmen waren ohne Namensangabe gedruckt worden.
»Das ist schon
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