Damenschneider
eigenartig, dass ausgerechnet von diesem Unfall ein Bild gemacht wurde«, meinte Vogel nachdenklich, »wenn es der ist, den ich meine. Der Binder aus dem 17. hat mir letztens von einem Unfall auf dem Gürtel erzählt. Da war ein Motorradfahrer mitten in der Nacht auf einer Öllache ausgerutscht. Das war kein Fleck, den vielleicht ein Auto verloren hat, sondern eine richtige Pfütze, in die der arme Bursche hineingeraten ist. Gerade so, als wäre das Ganze inszeniert worden.«
»Und was ist dem Bürscherl passiert?«
»Na, schwer verletzt war er. Doch er hat noch Glück gehabt, weil das in aller Herrgottsfrühe passiert ist und nur wenig Verkehr auf der Straße war. Stell’ dir mal vor, so was passiert am Tag, das gibt gleich eine Massenkarambolage.«
»Und was hat der Bruchpilot dazu gesagt?«
»Er hat sich wahrscheinlich gewundert, was einem in Wien so alles passieren kann«, antwortete Vogel kryptisch, um mit einem ärgerlichen Grunzen in seiner schlecht ziehenden Pfeife herumzubohren.
»Das heißt, er war gar nicht von hier? Jetzt lass’ dir doch nicht alles aus der Nase ziehen …«
»Nein, er war nur zu Besuch bei einer Freundin und konnte sich auch nicht erklären, dass es offenbar jemand auf ihn abgesehen hatte, wo er hier doch so gut wie niemanden kennt.«
»Bis auf die Freundin …«
»Na ja, lass’ sie einen eifersüchtigen Freund haben. Aber steht der in aller Herrgottsfrühe hinter einem Baum und lauert, dass sein Nebenbuhler in die von ihm bereitete Pfütze fährt, und macht dann ein Foto davon? Kaum wahrscheinlich. Und vor allem, woher soll er wissen, dass der Bursche mit seinem Motorrad genau durch das Öl fährt, bei einer dreispurigen Straße …«
»Dies, mein verehrter Kajetan, ist natürlich ein starker Einwand. Was haben die Untersuchungen unserer emsigen Kollegen also ergeben?«
»Nichts, deshalb hat mir der Binder ja davon erzählt. Da scheint einer rein aus Jux ein Liter Öl auf die Straße geschüttet zu haben. Mit dem Foto hier könnte ein, allerdings ziemlich schwaches, Motiv gefunden sein.«
Walz kniff die Augen zusammen, um die Einzelheiten des wegen der frühen Uhrzeit ohnehin nur unscharfen Bildes, das ein umgestürztes Motorrad neben seinem abgeworfenen Reiter zeigte, genauer erkennen zu können.
»Wegen 100 Euro, die zudem nicht einmal sicher sind? Bei dem Risiko, erwischt zu werden? Ich weiß nicht … Und wenn die Zeitung das Bild nicht druckt, setzt er dann das Öl als Werbungskosten von der Steuer ab? Also, das Motiv ist ziemlich dünn, mit Verlaub. Vielleicht war es ja nur ein Streich von geistig minderbemittelten Heranwachsenden.«
»Um die Uhrzeit? Wie man es auch dreht und wendet, es bleibt alles irgendwie unlogisch. Und was ist mit dem anderen Bild?«
»Das zeigt nur eine ganz normale Schlägerei unter Fußballrowdys. Das einzig Interessante daran ist nur, dass kein Name druntersteht.«
»Da ein solcher Zwischenfall bei einem Freundschaftsspiel etwas ganz Natürliches darstellt, meine ich, dass man dieses Bild nicht unbedingt zum Gegenstand näherer Untersuchungen machen sollte. Zumal das Foto von einem Hooligan gemacht worden sein könnte, der keinen allzu großen Wert darauf legt, mit dem Geschehen in Verbindung gebracht zu werden. Wenn wir im Kommissariat sind, ruf’ ich den Binder an und lass’ mir das Datum von dem Unfall geben. Wenn es mit dem des Fotos übereinstimmt, haben wir ein Problem.«
»… oder eine Spur.«
Vogel seufzte vernehmlich.
»Das ist ja das Problem!«
4. Kapitel (Dienstag)
Vor seinem Unfall war das Leben von Andreas Reif ganz nach Wunsch verlaufen.
Nach dem Abschluss in der Hauptschule seiner Heimatstadt Gänserndorf, einem kasernenartigen Gebäude, dem man schon von Weitem ansah, dass es ein Hort der Ernsthaftigkeit war, hatte er gegen den ursprünglichen Willen seiner Eltern die Laufbahn eines Automechanikers eingeschlagen. Dies war sein einziges größeres Aufbegehren gegenüber seiner Familie gewesen, die ihm als Ältestgeborenen zu gegebener Zeit eigentlich die Leitung des väterlichen Hofes überlassen wollte. Hätte Andreas keinen jüngeren Bruder gehabt, wäre ihm diese Auflehnung vielleicht schwer gefallen, denn er war ein durchaus folgsamer Sohn, dessen Beziehung zu seinen Eltern von gegenseitigem Respekt getragen war.
So fügte sich die Familie nach anfänglichem Protest seinem Berufswunsch, zumal dieser schon sehr früh absehbar gewesen war. Denn schon als Kind hatte sich Andreas lieber mit den Landmaschinen
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