Damenschneider
seines Vaters beschäftigt als mit dem Anbau von Spargel und Gemüse, von dem sich seine Familie schon seit Generationen ernährt hatte. Immerhin geriet seiner Familie diese Leidenschaft des Sohnes nicht zum Nachteil, denn keiner seiner bäuerlichen Nachbarn konnte auf einen so gut gewarteten Maschinenpark verweisen wie Herr Andreas Reif senior. Was ihn doch mit Stolz erfüllte, den Herrn Papa. Der es sich natürlich nicht nehmen ließ, während des allfälligen Frühschoppens nach der sonntäglichen Messe auf das besondere Talent seines Sprösslings zu verweisen. So wurde der noch nicht einmal Vierzehnjährige schon bald bei der Lösung auftretender technischer Probleme von den Nachbarn zur Beratung hinzugezogen. Da es in den meisten Fällen nicht nur bei einem Ratschlag blieb, verdiente unser Jüngling schon sehr früh gutes Geld. Seine schulischen Leistungen litten naturgemäß unter seiner Nebenbeschäftigung, doch nicht nur die Vernachlässigung seiner Hausübungen erregte den Unwillen seiner Klassenlehrerin. Es waren im Besonderen seine stets ölverschmierten Finger, mit denen er so manch verräterischen Fingerabdruck auf seinen ohnehin nur mäßigen Schularbeiten hinterließ. Denn Frau Professor Helga Schober, eine trotz ihres relativ jugendlichen Alters von 35 Jahren schon etwas ältliche wirkende, alleinerziehende Mutter, hielt etwas auf Sauberkeit, die nach ihrer Überzeugung zusammen mit der Höflichkeit die unverzichtbare Grundlage jedes gedeihlichen Miteinanderauskommens bildete. Dennoch wäre sie niemals auf den Gedanken gekommen, ihren verölten Zögling so schlecht zu benoten, dass er das Klassenziel nicht erreichen würde. Schließlich war sie Kummer gewohnt, zumal sie Deutsch unterrichtete, ein in diesem malerischen Landstrich ohnehin völlig nutzloses Unterfangen. Denn trotz allem Schmutz, der ihn umgab, war der Jüngling alles andere als ein Rabauke. Er war vielmehr von ausgesuchter Höflichkeit und trachtete stets danach, seine doch gerade noch ausreichenden schulischen Leistungen mit bemerkenswertem Charme vergessen zu machen. Und das wiederum gefiel Helga Schober, so dass sie ständig hin- und hergerissen war zwischen seinem angenehmen Wesen und dem stets präsenten Geruch nach Motoröl. Der allerdings im Endeffekt über die Sympathie zu obsiegen vermochte, denn charmant kann man nur sein, wenn man die Gelegenheit dazu erhält, stinken dagegen tut man immer. Unter diesen Umständen war Frau Schober also durchaus erleichtert, als Andreas, der im vorgesehenen Zeitraum den Hauptschulabschluss erreicht hatte, in den Ernst des Lebens entlassen werden konnte.
Sie wusste natürlich auch, dass er sich schon einen Namen als Mechaniker für Maschinen aller Art gemacht hatte, dem er mehr als gerecht wurde, als er einen alten und ziemlich verrosteten Kübelwagen, den der Vorfahr eines Nachbarn aus unerfindlichen Gründen aus dem zweiten Weltkrieg herübergerettet hatte, nach Jahrzehnten der Stilllegung wieder flott machte. Die vollständige Restaurierung des so genannten VW Typ 82, den er als Bezahlung für die Reparatur eines Traktors erhalten hatte, fand im Übrigen im Geheimen statt, wollte er doch seinen Vater anlässlich seines Schulabgangs endgültig davon überzeugen, dass seine Talente weit über denen eines durchschnittlichen Automechanikers lagen und daher der Förderung bedurften. Und tatsächlich waren seine Eltern vor Staunen stumm, als ihr Filius fröhlich das Zeugnis schwenkend und, da ohne Führerschein nicht ganz gesetzeskonform, in seinem wüstensandgelben Kübelwagen in den Hof einfuhr.
Ausgestattet mit diesem Gesellenstück war es ihm ein Leichtes, eine Stellung als Lehrling bei einer namhaften Automobilwerkstatt in seinem Heimatort zu bekommen, die sich auf die Restaurierung von Oldtimern spezialisiert hatte. Dort hatte er sich seit nunmehr drei Jahren aufs Beste bewährt, wobei ihn der Meister neben der Förderung seiner Talente auch schon bald in die Geheimnisse der Körperhygiene einwies. Wodurch das Leben von Andreas eine einschneidende Wende erfuhr. Denn unter dem ständig präsenten Ölfilm versteckte sich ein durchaus manierlich aussehender junger Mann, der, nach gründlicher Reinigung, folgerichtig auch bald in den Interessenkreis der örtlichen Weiblichkeit geriet. Nach einigen Flirts und kürzeren Beziehungen lernte er im Rahmen eines Festes die Wiener Cousine einer Schulfreundin kennen, die ihm sogleich ins Auge stach. Nicht nur, dass sie aus der Großstadt kam und
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