Damenschneider
weiteren Blick auf ihre Uhr, »ich komme eh schon zu spät.«
Nachdem Elisabeth Marthaler mit einem kurzen Gruß davongeeilt war, griff Vogel wortlos zum Mobiltelefon.
»Sag einmal, Nekro, hast du schon den genauen Zeitpunkt des Todes vom Bilovic? – Danke, ich rühr’ mich später wieder.«
Lässig steckte er sein Handy weg.
»Der Bilovic hat zwischen ein und zwei Uhr morgens das Zeitliche gesegnet. So lange werdet ihr wohl kaum getafelt haben.«
»Wir haben uns etwa um Mitternacht getrennt. Dann wollte sie sich zusammen mit dem Florian Rost ein Taxi nehmen.«
»Hast du gesehen, ob sie das tatsächlich auch gemacht haben?«
»Nein, das nicht, ich war gerade mit wichtigeren Dingen beschäftigt«, sagte Walz schmunzelnd, um dann langsam fortzufahren. »Die Elisabeth hätte also Zeit genug gehabt, den Rost aus dem Taxi zu schmeißen und dann noch einmal Richtung Innere Stadt aufzubrechen. Oder was hältst du von der Theorie, dass sie zusammen hingegangen sind …?«
Vogel schüttelte entschieden den Kopf.
»Negativ. Wären die zusammen bei dem Bilovic aufgetaucht, so mitten in der Nacht, hätte er sie wohl kaum zu sich hineingelassen und in seinen OP gebeten.«
»Na ja, der Rost ist mir diesbezüglich nicht ganz geheuer, vielleicht gab es auch einen flotten Dreier mit tödlichem Ausgang, dann wäre immerhin auch das Transportproblem von der Leiche gelöst.«
»Sei mir nicht böse, Alfons, aber das klingt mir doch zu sehr nach Schundroman … Der Fall ist auch so schon kompliziert genug … aber hübsch ist sie wirklich. A bisserl herb vielleicht.«
»Da hast du leider recht«, brummte Walz. »Trotzdem sollten wir sie fürs Erste einmal in Betracht ziehen, solange wir nichts Besseres haben … Allerdings sehe ich beim Motiv noch eine Schwachstelle. Hast du da eine Idee?«
»Nicht wirklich. Der Tod ihrer Freundin wird sie wohl nicht so sehr bedrückt haben … Allerdings wirkte sie erstaunlich gelassen, als sie mit der Nachricht von Bilovics Ermordung konfrontiert wurde.«
»Ich bin mir gar nicht sicher, ob sie nicht schon davon gewusst hat. Dass sie die Zeitung erst zu Mittag liest wie eine kleine Sekretärin, halte ich doch für sehr zweifelhaft. Als Geschäftsführerin überfliegt sie doch zumindest die Schlagzeilen und studiert die Wirtschaftsseiten, und so wie die Geschichte aufgemacht ist, wird sie die wohl kaum übersehen haben.«
Mit ratlosem Gesichtsausdruck hob Vogel die Schultern.
»Und welche Beweggründe hat sie dann, uns anzulügen?«
»Auch zu einem solchen Umstand hatte unser begnadeter Frauenhasser Karl Kraus etwas Erhellendes beizutragen«, sagte Walz nach kurzem Nachdenken. »›Eine Notlüge ist immer verzeihlich. Wer aber ohne Zwang die Wahrheit sagt, verdient keine Nachsicht.‹«
Grunzend stopfte Vogel seine Pfeife.
»Na, dann verzeihen wir ihr eben. Wem sollen wir als Nächstes auf den Zahn fühlen? Rost, Schwester Esther oder Schwester Sabine?«
»Da fällt die Wahl schwer. Ich würde vorschlagen, dass wir uns erst einmal diesen selbstverliebten Stutzer vornehmen, der hätte wenigstens ein Motiv.«
»Deiner Beschreibung nach zu schließen, wird wohl wieder mir die undankbare Aufgabe des Wortführers zufallen …«
»Glaub mir, lieber Kajetan, das ist auch besser so, ich kann diesen Typen nicht ausstehen.«
Nach einem kurzen Anruf bei Clara, von der Walz die Telefonnummer des Sängers erfragte, verabredete er sich mit einem offensichtlich verwunderten Rost praktischerweise ebenfalls im Café Drechsler, wo dieser innerhalb einer Stunde eintreffen wollte. Als Begründung für das Treffen gab er einige Fragen an, die im Zusammenhang mit dem Tod seiner Mutter aufgetaucht seien.
»Eigentlich sollten wir uns das zur Gewohnheit machen, hier ist es eh viel schöner als im Büro«, sagte Vogel aufgeräumt, während er genießerisch an seiner Pfeife zog. »Was meinst, gehen wir so lang noch ein bisserl auf dem Naschmarkt strawanzen, wo es doch so schön ist heute.«
Tatsächlich hatte sich der im November allgegenwärtige Hochnebel verzogen und einem wolkenlosen Himmel Platz gemacht.
»Ich würde eigentlich lieber hier drin bleiben und bequem Zeitung lesen, bis der Rost kommt«, sagt Walz verwundert. »Aber seit wann gehst du freiwillig an die frische Luft, wo wir doch hier gemütlich Kaffee trinken könnten?«
»Ja, weißt, so ein Hund erzieht eben zum Spazierengehen. Außerdem will ich einmal schauen, ob ich dort nicht irgendwo Hühnerherzen auftreibe, die hat die Emily so
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