Damenschneider
geflochtenen Haar ab, auch für einen feminin aussehenden Jungen halten können.
Obwohl Elisabeth neugierig auf eine Begründung für das frühe Treffen drängte, wurden bis zur Bestellung eines »Wiener Frühstücks«, für das sich die Inspektoren der Einfachheit halber entschieden hatten, nur Plattitüden ausgetauscht, wobei Vogel alle Register seines reichhaltigen Charmerepertoires zog.
Erst als die auffallend junge Serviererin gegangen war, richtete Vogel das Wort an die unterdessen schon ungeduldige Frau, die trotz seiner redlichen Bemühungen beständig auf ihre Armbanduhr schaute.
»Liebe Frau Marthaler, haben Sie heute eigentlich schon Zeitung gelesen?«
»Nein«, sagte sie verwundert, »dazu komme ich üblicherweise erst in der Mittagspause.«
»Dann haben Sie ja wohl noch nichts von dem bedauernswerten Tod dieses Herrn erfahren«, sagte Vogel, während er die Titelseite der U-Bahn-Zeitung in die Höhe hielt.
»Nein, sollte ich das? Ich kenne keinen Krankenpfleger …«, sagte sie verständnislos.
»Aber einen Herrn Bojan Bilovic kennen Sie schon?«, fragte er ruhig, während er ihr tief in die Augen blickte.
Doch Vogel wurde enttäuscht, ihre Miene blieb unbewegt.
»Ja, den kenne ich schon, allerdings nur flüchtig. Aber was hat der mit diesem Krankenpfleger zu tun? War das ein Untergebener von ihm?«
»Nein, nein, bei Herrn Bilovic handelt es sich um eben jenen Krankenpfleger …«, antwortete Vogel, sie nach wie vor genau beobachtend.
»Was? Der war gar kein Arzt?«, rief sie aus. »Das ist ja schrecklich!«
Nachdenklich schaute sie durch das Fenster.
»Wie kann das sein, dass ein Krankenpfleger jahrelang seine Umgebung täuscht? Jeder, den ich kenne, darunter auch Mitglieder der höchsten Gesellschaftskreise, sprach ihn mit ›Herr Doktor‹ an …«, sagte sie geistesabwesend.
»Wie gut kannten Sie Herrn Bilovic?«
»Wie ich Ihnen schon sagte, nur flüchtig«, wandte sie sich wieder Vogel zu. »Ich wurde mit ihm einmal auf einer Gesellschaft bekannt gemacht. Natürlich wurde er mir als Arzt vorgestellt. Sogar als ›Wunderchirurgen‹ hatte man ihn bezeichnet. Wie kann so etwas sein?«
In aller Kürze schilderte Vogel nun seine Kenntnisse von Bilovics Leben.
»Und welchen Eindruck hatten Sie von ihm, als Sie ihn trafen?«
»Was für eine Frage«, sagte sie mit einem Anflug von Ungeduld. »Wie kann man einen Menschen beurteilen, den man nur einmal im Leben getroffen hat? Er war ein durchaus charmanter Unterhalter, ja, das war er. Wir haben allerdings nicht allzu lange miteinander geplaudert. Ist es tatsächlich wahr, was da steht? Ist er wirklich ermordet worden?«
»Sie kennen ja die üblichen journalistischen Übertreibungen … Allerdings sieht es ganz danach aus. Genaueres lässt sich natürlich erst nach Beendigung der gerichtsmedizinischen Untersuchung sagen«, sagte Vogel vorsichtig.
Für einige Sekunden starrte sie ins Leere, um sich dann in überraschend geschäftsmäßigem Ton wieder an Vogel zu wenden.
»Und warum wollten Sie mich so dringend sprechen?«
»Was veranlasste Sie eigentlich zu der Vermutung, dass Frau Rost nicht eines natürlichen Todes gestorben sei?«
»Ah, daher weht der Wind …«, antwortete sie unfreundlich. »Das kommt davon, wenn man sich mit der Polizei einlässt. Jetzt fehlt nur noch, dass ich von Ihnen auch noch verdächtigt werde.«
»Nein, das natürlich nicht«, mischte sich nun Walz ein. »Aber du musst verstehen, dass wir in diesem rätselhaften Fall für jeden Hinweis dankbar sind …«
»Also, wie kamen Sie zu der Vermutung?«, wiederholte Vogel.
»Irmgard schien noch so jugendlich und lebensfroh – so fernab des Todes. Wir waren ein paar Male zusammen laufen, und glauben Sie mir, herzkrank war die nicht, so wie sie gerannt ist.«
»Und was vermuten Sie dann als Ursache ihres Todes?«
»Ich habe so meine Theorien, deshalb wollte ich ja, dass sie vor ihrem Begräbnis noch einmal untersucht wird.«
»Dürften wir vielleicht an diesen Theorien teilhaben?«
»Na ja, ich hatte erfahren, dass sie sich an dem Tage ihres Todes einer Operation unterziehen wollte«, sagte sie, während sie wieder aus dem Fenster schaute.
»Hat Frau Rost Ihnen das persönlich erzählt?«
»Nein, über solche Dinge sprach sie nicht mit mir, ihr Sohn hatte es mir gesagt.«
»Und wissen Sie, von wem er das wusste? Seine Mutter wird ihm wohl kaum erzählt haben, dass sie zum Schönheitschirurgen geht …«
»Nein, das ganz sicher nicht«, sagte sie nach
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