Damenschneider
gerne.«
Nach etwa einer halben Stunde kehrte Vogel mit zwei weißen Plastiksackerln beladen ins »Drechsler« zurück.
»Schau mal, wie viel Hühnerherzen der gehabt hat«, sagte er glücklich, auf seine Beute deutend. »Das sind fast vier Kilo! Das reicht für fünf Tage!«
Langsam sah Walz von seiner Lektüre auf.
»Und wie willst du die kühl halten bis heute Abend?«
Schuldbewusst schaute Vogel an sich herab.
»Diese Frage, o du mein Walz, hätte in ihrer Vernunft ebenso von meinem Weibe formuliert werden können – und dies missfällt mir zutiefst, da ich, offen gestanden, keine Antwort darauf weiß.«
»Ich schon, die ist allerdings mit einigen Unbequemlichkeiten verbunden. Bis der Rost kommt, haben wir noch ein wenig Zeit. Geh’ einfach zurück zu deinem Hendlmann und bitte ihn, es für dich bis heute Abend kalt zu stellen. Und nach Dienstschluss fährst du dann über den Naschmarkt nach Hause. Aber tummel dich bitte! Auf ein launiges Gespräch mit dem Sängerknaben bin ich nicht sehr erpicht.«
Vogel tat wie ihm geheißen, während sich Walz wieder seufzend dem Lösen des Rätsels der gerade erschienenen »Zeit« widmete.
Doch zu seiner großen Verärgerung sollte ihm an diesem Morgen die gänzliche Auflösung dieses diesmal besonders kniffligen Denkspiels nicht vergönnt sein, da sich Rost ungebührlich früh im »Drechsler« einfand, wo er den angestrengt nachdenkenden Kriminalisten nach kurzer Suche entdeckte, sich vor ihm aufbaute und zackig salutierte.
»Da ist er ja, der Herr Inspektor«, rief er in einer Lautstärke, dass sich die wenigen anderen Gäste nach dem konsternierten Kriminalisten umdrehten und ihn interessiert musterten.
»Guten Morgen, Herr Rost«, antwortete dieser betont leise, während er auf einen Sessel deutete. »Danke, dass Sie so rasch gekommen sind.«
Nachdem er Platz genommen hatte, winkte Rost sogleich der Kellnerin zu und rief ihr schon die Bestellung zu, bevor sie an den Tisch getreten war.
Walz sah sich in seiner Meinung, die er sich bei ihrem ersten Treffen über ihn gebildet hatte, mehr als bestätigt.
»Was also war mit meiner Mutter?«, fragte Rost, während er die Arme vor seiner Brust verschränkte.
Trotz seines polternden Auftritts bemerkte Walz die Nervosität des Sängers, und verspürte daher wenig Lust zur Darlegung des neuen Sachverhalts.
Zu sehr fürchtete er seine hysterische Reaktion und das damit verbundene öffentliche Aufsehen.
»Mein Kollege Vogel, der die Ermittlungen führt und gleich hier sein wird, hätte diesbezüglich einige Fragen an Sie …«, antwortete Walz kryptisch.
Eigentlich hätte er sich viel lieber mit der weiteren Lösung des Rätsels beschäftigt, besann sich aber rechtzeitig seiner guten Erziehung und legte widerwillig die Zeitung beiseite.
»Ich dachte, der Tod meiner Mutter sei geklärt – immerhin hat der Arzt doch ein Herzversagen festgestellt – oder gibt es jetzt doch Zweifel?«, fragte Rost weiter.
»Hat Sie Elisabeth noch nicht angerufen?«, fragte Walz in der Hoffnung, dadurch der Pflicht entbunden zu sein, dem Sänger die unliebsamen Neuigkeiten mitzuteilen.
»Nein, wir haben heute noch nicht miteinander gesprochen«, antwortete Rost, während er fragend seinen Kopf schief hielt.
»Ich verstehe ja Ihre Neugierde, aber ich will meinem Kollegen nicht vorgreifen, er wird sicherlich gleich hier sein … Was ich Sie schon die ganze Zeit fragen wollte: Haben Sie eigentlich schon einmal im Theater an der Wien gesungen? Die machen doch jetzt eine ganze Menge Barockopern, was ich übrigens höchst begrüßenswert finde.«
»Nein, leider ist man da noch nicht an mich herangetreten«, antwortete Rost zögernd, während er geistesabwesend den bestellten Kaffee entgegennahm, »aber wie Sie ja wissen, gilt gerade in Österreich der Prophet im eigenen Lande nichts. Daher müssen die Wiener halt warten, bis meine Auslandskarriere richtig auf Touren gekommen ist. Und dann werden die Direktoren auch wieder jammern, weil sie nicht früher zugegriffen haben.«
Erwartungsvoll schaute Rost nun den Inspektor an, der die Hoffnungen des Countertenors nur allzu gerne erfüllte und ihn nach dem Grund dieser Aussage fragte.
»Weil ich dann natürlich ganz andere Preise verlangen werde. Und wissen Sie, was davon die Folge sein wird?«
»Na …«, heuchelte Walz größtes Interesse, während er sich im Stillen dazu gratulierte, ein Thema gefunden zu haben, das den Sänger noch mehr beschäftigte als der Tod seiner
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