Damenschneider
doch heutzutage kein Problem mehr … Nein, das glaube ich nicht. Möglicherweise ist seine Scheu vor einer Partnerschaft auch eine Hypothek, die er von seiner Mama mitbekommen hat. Bindungsunfähigkeit. Auf jeden Fall verbringt er ziemlich viel Zeit mit unserem Blümchen-rühr-mich-nicht-an, der Elisabeth, wenn er in Wien ist. Ob da mehr ist als eine Freundschaft – das müsstest du doch eigentlich besser wissen …«, setzte sie keck hinzu.
»Das würde allerdings einiges erklären … Was auch immer hinter meinen vergeblichen Werbeversuchen gesteckt haben mag, ich bin sehr froh, dass es so gekommen ist«, antwortete er lächelnd, während er feierlich das Tablett auf den Boden legte und sich über Clara beugte.
Doch schon bald wurde das innige Beisammensein von Walzens Mobiltelefon gestört.
Eigentlich wollte er den Anruf ignorieren, doch leider hatte sein Handy die nervtötende Eigenschaft, alle 30 Sekunden einen Signalton von sich zu geben, der den geschätzten Eigner daran erinnerte, dass er leider einen Anruf verpasst hatte.
Nach drei Minuten gab Walz auf.
»So kann man ja nicht arbeiten«, brummte er verärgert und ließ von seiner Geliebten ab.
Bis er endlich unter ständigem Grunzen in dem von ihm verursachten Kleiderberg seine Hose gefunden hatte, in deren rechter Tasche sein Telefon verborgen war, war seine vordem prangende Männlichkeit in sich zusammengefallen.
»Jetzt kannst du auch gleich nachschauen, wer dich so dringend sprechen wollte«, schlug Clara angesichts der eingebüßten Wehrhaftigkeit ihres Liebhabers vor.
»Der Kajetan war’s, wer sonst. Es gibt eben Menschen, die immer zum falschen Zeitpunkt anrufen …«, sagte er verärgert, nachdem er auf das Display geschaut hatte.
»Du solltest zurückrufen«, sagte sie fürsorglich, »vielleicht ist es ja dringend.«
Ohne die hinterlassene Nachricht abzuhören, ging er mit einem zustimmenden Brummen ins Nebenzimmer.
Erwartungsvoll sah ihn Clara an, als er nach einiger Zeit von dort zurückkehrte.
»Langsam beginnt die Sache spannend zu werden. Von Elisabeth wurden jede Menge Spuren in Bilovics Schlafzimmer gefunden …«
Nachdem ihr diese Überraschung offensichtlich die Sprache verschlagen hatte, fuhr er fort:
»Wenn wir davon ausgehen, dass er mit ihr nicht gerade eine Wohnungsführung unternommen hat, bleiben eigentlich nicht mehr viele Erklärungen übrig. Sei mal ehrlich, von Frau zu Mann, kannst du dir unsere keusche Elisabeth in den Armen eines serbischen Wüterichs vorstellen?«
»Nein, eigentlich nicht, das wäre zumindest nicht die Elisabeth, die ich kenne«, antwortete Clara nach kurzem Nachdenken. »Aber wäre es nicht möglich, dass er ihr vielleicht etwas im Schlafzimmer gezeigt hat. Nicht das, was du denkst«, fuhr sie nach einem kurzen Seitenblick auf Walz in einer anderen Stimmlage fort, »wie kann man nur so fixiert sein – ich dachte eher an ein Bild, das dort hängt. Eine andere Möglichkeit wäre auch, dass er vielleicht bettlägerig war und sie ihm einen Krankenbesuch abgestattet hat. Ihr Polizisten müsst nicht immer nur das Schlechteste von den Menschen annehmen, nur weil ihr dauernd mit Verbrechen zu tun habt.«
Nachdenklich schaute Walz Clara an.
»Das bringt leider unser Beruf mit sich … Außerdem hängt in seinem Schlafzimmer kein Bild, das ist völlig verspiegelt. Wir müssen sie eh noch einmal befragen. Ich habe Kajetan versprochen, mit ihr einen Termin auszumachen. Zwei kurze Anrufe noch?«
Nach ihrer einladenden Handbewegung griff Walz erneut zu seinem Mobiltelefon.
»Liebe Elisabeth, könnten wir uns vielleicht noch einmal treffen heute Abend? – Ja, es sind noch einige Fragen offen, bei denen du uns möglicherweise helfen könntest. – Nein, du brauchst keinen Anwalt. – Bei dir? – Nein, so früh geht es leider nicht, sagen wir, um 20 Uhr? – Danke, bis später.«
»Die ist schon eine Zicke«, meinte Walz nach dem Telefonat und verdrehte die Augen, »glaubt, einen Anwalt hinzuziehen zu müssen. Jetzt muss ich nur noch dem Kajetan eine SMS schreiben, dass sie leider erst um 20 Uhr Zeit hat, und dann komme ich wieder zu dir zurück. Meine unendlich weise Großmutter hat immer gesagt, eine begonnene Arbeit muss man zu Ende führen, welche Hindernisse sich auch immer auftun, sonst wäre es völlig sinnlos, sie überhaupt begonnen zu haben.«
Von dieser familiären Lebensweisheit bestärkt, dauerte es nicht lange, bis Walz sich wieder in den Armen seiner Clara fand.
11. Kapitel
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