Damiano
Wäre ich wie mein Vater, so hätte sie das doch gewiß in diesem Moment auch erkannt.«
Macchiata schob ihren Kopf auf die Decke neben den Kopf ihres Herrn. Ihre Zunge schnellte hervor und berührte flüchtig Damianos Nasenspitze. Eigentlich war es Macchiata nicht erlaubt, Menschen, die Gesichter zu lecken, aber an diesem Abend schimpfte Damiano sie nicht dafür aus.
»Ich glaube, ich weiß, was mit Saara los ist, Herr«, sagte die Hündin.
»Hm?« Er stützte sich auf einen Ellbogen. Das wirre dunkle Haar fiel ihm ins Gesicht. »Was denn, Macchiata?«
Die Hündin wälzte sich auf den Rücken und präsentierte ihm ihren wenig hübschen Bauch, damit er sie kraulte.
»Mit einer Katze ist es genauso. Irgendwas – keiner weiß, was – regt sie auf, und dann ist nicht mehr mit ihr zu reden. Dann bleibt einem nichts anderes übrig, als sich zu trollen und die Nase zu lecken.«
»Die Nase zu lecken?«
»Die Kratzer, die man abgekriegt hat. Saara ist auf deinen Vater böse, aber sie kratzt statt seiner dich.«
Damiano mußte lächeln bei der Vorstellung von Saara als Katze. Mit dem kleinen Gesicht und den schräg stehenden Augen würde sie eine hübsche Katze abgeben. Sein Seufzer verschmolz mit einem Lachen und kam ihm wie das Wiehern eines Pferdes aus Kehle und Nase.
Zweifellos konnte sich Saara augenblicklich in eine Katze verwandeln, wenn sie nur wollte. In eine große Katze. Damiano musterte das sanft säuselnde Gras der Wiese mit neuer Vorsicht. Aber nein. Hätte Saara ihn vernichten wollen, so hätte sie es vorher tun können, als er noch mitten in Erschrecken und Scham gefangen gewesen war.
»Selbst eine Katze beruhigt sich mit der Zeit, Macchiata«, murmelte er und streckte sich wieder aus. »Beruhigt sich und rollt sich am Feuer zusammen, daß man sie streicheln kann. Morgen früh werde ich Saara wiederfinden und ihr sagen, daß sie in meinen Kopf gucken kann, soviel sie will, bis sie ganz sicher ist, daß ich wahrhaftig und ehrlich bin. Vielleicht glaubt sie mir, wenn ich meinen Stab aufgebe.«
Macchiata winselte protestierend.
»Nein, Herr! Du weißt doch, das hast du schon einmal getan, und da bekamst du einen Schlag auf den Kopf.«
»Das waren gewöhnliche Menschen, Macchiata«, entgegnete Damiano. »Die hatten Angst vor mir.«
»Saara hat auch Angst vor dir«, versetzte die Hündin.
Der Morgen graute. Dunstfäden stiegen vom Wasser des Baches auf. Damianos Decke war feucht. Sein Frühstück bestand aus kaltem Wasser und dem letzten Rest Brot. Macchiata verspeiste einen toten Frosch und wanderte auf der Suche nach weiterer Nahrung davon.
Damiano hielt die Laute in den Händen und überlegte gerade, wo, um alles in der Welt, er Ersatz für die gerissene Saite herbekommen sollte, als er gewahr wurde, daß sich im Fichtenwald ein Mann verborgen hielt. Nicht sein Auge und nicht sein Ohr verrieten es ihm, vielmehr der Instinkt, den er von seinem Vater geerbt hatte.
Es war wie ein leichter Druck, wie die sachte Berührung eines Fingers im Gesicht, eine kaum wahrnehmbare Irritation. In den Straßen von Partestrada pflegte Damiano diese Wahrnehmungen als ablenkend und hinderlich zu unterdrücken. Hier jedoch, in der Einsamkeit, zur Zeit des Vollmonds, konnte Damiano Größe und Gestalt des Fremden erspüren und bis zu einem gewissen Grad sogar seine Absicht.
Er nahm seinen Umhang ab und legte ihn auf dem Fels nieder. Er glättete seine Kleider und fuhr sich mit den Fingern durch das Haar. Da er kein Schwert hatte, das er sich umlegen konnte, schwang er sich statt dessen die Laute über die Schulter. Dann schritt er mit unbefangener Würde zum Rand der Wiese, wo die Fichten lange Schatten warfen.
Als der Mann aus dem Wald trat, verneigte sich Damiano auf eine Weise vor ihm, die weder hochmütig noch devot war, und wünschte ihm einen guten Tag.
Der Fremde war hochgewachsen und so mager und sehnig wie ein ausgehungerter Jagdhund. Er hatte ein langes Gesicht, und seine Augen schillerten schwarz in der Sonne des frühen Morgens. Die Nase war so hochrückig, daß sein Gesicht im Schlaf arrogant gewirkt hätte. Während er jetzt dastand und auf Damiano herabblickte, war der Ausdruck auf diesem Gesicht eine einzige Beleidigung.
Das Schweigen zog sich in die Länge. Mit einem gezierten Schritt verlagerte der Fremde sein Gewicht auf das linke Bein. Sein linker Daumen hing nachlässig zwischen dem Heft und der Scheide eines Schwerts, das weder neu noch ein Zierstück war. Die abgewetzte Stelle an
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