Damiano
Anwesenheit im Wind seines Kamins wahrgenommen, in weiter Ferne, und hätte nicht fernbleiben können.
Er war jung wie du und dunkel. Ich glaubte ihn zu lieben. Ja, ich habe ihn geliebt; er war wie Jekkinan, in seiner Kraft und in seinem Ungestüm. Eines Nachts tat er – tat er etwas sehr Böses: Er schlich sich in meinen Geist ein. Er wollte mir meine Kraft stehlen, und so entdeckte ich, daß er mich nie geliebt, sondern nur meine Gabe begehrt hatte.
Es war schrecklich für mich, erkennen zu müssen, daß ich mich so getäuscht hatte! Wir hatten wie Mann und Frau miteinander gelebt, und nun mußte ich entdecken, daß von seiner Seite aus alles nur Hinterlist gewesen war. Er konnte mit dem Herzen selbst lügen – nie zuvor hatte ich davon gehört, daß es so etwas gibt.
Aber er hatte zu früh sein wahres Gesicht gezeigt. Ich wehrte mich gegen ihn und ich war die Stärkere. Er floh den Hügel hinab, und ich habe ihn nie wiedergesehen, nie wieder von ihm gehört.
Aber ich erinnere mich; ich erinnere mich, wie ich mir einbildete, einen Menschen zu kennen, und in Wirklichkeit eine Närrin war. Nie wieder werde ich einem wie ihm trauen. Deshalb lasse ich niemanden auf den Hügel; deshalb verlasse ich nur selten meinen Garten. Und das ist auch der Grund, weshalb es mich erstaunte, daß Menschen im fernen Piemont meinen Namen kennen.
Ruggiero besitzt keine besonderen Kräfte«, fuhr sie in ruhigerem Ton fort, »und sein aufbrausendes Temperament ist mir oft lästig, Dami. Aber er liebt mich, und da er schlicht und einfältig ist, weiß ich, daß er nichts verbirgt – « Sie brach mitten im Satz ab, als sie der Veränderung in Damianos Gesicht gewahr wurde. Schmerz und Scham und der Ausdruck einer schrecklichen Gewißheit spiegelten sich in seinen Augen. »Was ist, Damiano? Was habe ich gesagt?«
Er schluckte und sagte heiser: »Der Hexer, der dich verriet? Wie hieß er? Wie war sein Name?«
»Ich – ich will ihn nie wieder aussprechen. Was interessiert dich das, Damiano?«
Damiano krampfte die Hände ineinander. Er brachte es nicht fertig, Saara ins Gesicht zu sehen.
»Hieß er vielleicht – vielleicht Delstrego? Guillermo Delstrego? Wenn es zutrifft, dann tut es mir von Herzen leid.«
Zischend stieß Saara die Luft aus. Sie legte ihre Hände um Damianos Kopf und sah ihm in die Augen. Dort las sie die Wahrheit, die ihr zuvor entgangen war.
»Es tut mir wirklich leid«, stieß er hervor. »Ich würde niemals – «
»Nein!« rief sie laut. »Schon wieder! Schon wieder! Große Winde, werde ich denn niemals frei sein?«
Und damit verschwand Saara in den Wipfeln der Bäume.
Damiano kuschelte sich zusammen, als ein eisiger Luftzug ihn traf.
»Herr Jesus«, flüsterte er und sah zu, wie das Feuer langsam erlosch. Ein paar Minuten später fügte er hinzu: »Vater, du mußt dich für vieles verantworten.«
Macchiata kam aus der Dunkelheit gekrochen und setzte sich neben ihn.
Die Kälte zog bald herauf, aber Damiano war zu niedergeschlagen, um das Feuer wieder zu entzünden. Er wickelte sich in die einzige Decke, die er noch besaß, und drückte Macchiata fest an sich – zum Trost und um sich von ihr wärmen zu lassen. Aber der Schlaf wollte ihn nicht erlösen.
Damiano war nahe daran, Raphael zu rufen, um bei ihm Trost zu suchen, da der Engel wenigstens wußte, daß er mit dem Unrecht, das sein Vater begangen, nichts zu tun hatte. Doch der Gedanke an das Gespräch mit Luzifer verschloß ihm den Mund. Selbst wenn Raphael nicht wissen sollte, was vorgegangen war, so wußte doch Damiano es, und er wußte auch, daß sein Gesicht verraten würde, was er getan hatte.
Aber wie verhielt es sich mit Raphaels Gesicht? Was würde Damiano jetzt, nachdem er dem Teufel in die Augen gesehen und den Engel erkannt hatte, in den Augen des Engels sehen, der des Teufels Bruder war? Sünde gewiß nicht, aber…
Und außerdem – wie sollte er seinem spirituellen Freund seine Gefühle für die schöne Saara mit dem tiefen Blick und dem kecken Mund erklären? Selbst die Hündin zweifelte ja an der Reinheit seiner Absichten. Im stillen jedoch verfluchte Damiano die Reinheit seiner Absichten.
Nein, er wollte Raphael in diesem Augenblick gar nicht sehen. Er wandte sich wieder der Trösterin Macchiata zu, derer er sicher sein konnte.
»Was kann man mir denn zum Vorwurf machen, meine Kleine? Sie hat so tief in meine Seele gesehen, daß sie mich als Kind sah, als ich noch mit den Kaninchen spielte, lange bevor du geboren wurdest.
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