Damiano
einander ähnlicher als du ahnst, Saara«, flüsterte er.
Seine von der Sonne gebräunte Hand ruhte auf ihrer.
»Oh, das weiß ich, Damiano«, antwortete sie. Ihre Hand lag reglos, aber unnachgiebig unter der seinen. »Als ich dich im Atem der Wiese fühlte, erkannte ich dich, sowohl an deinem Entzücken an meinem Garten, als auch an dem Schmerz, der dich hierher geführt hatte. Du zogst mich an wie ein Magnet einen Nagel anzieht, und selbst jetzt kann ich nicht anders als…«
Mit diesen Worten rückte sie von ihm ab und wandte ihr Gesicht in die Dunkelheit. Damiano ließ ihre Hand nicht los.
»Wenn du mich erkannt hast, edle Dame, dann weißt du, daß ich nicht Rache suche, sondern Frieden für mein Volk.«
Saaras rosenrote Lippen wurden schmal.
»Laß es andere Städte finden, in denen es wohnen kann, so wie mein Volk andere Stämme fand.«
Er seufzte. »Das ist nicht das gleiche, Saara. Ein Mann ohne Besitz – nur mit einer Frau und hungrigen Kindern – ist nirgends sonderlich willkommen. Verbannte sind nur Bettler.
Eine Stadt aber ist wie ein Garten. Alles wächst gemeinsam in die Höhe, und die Rosen beschatten die Veilchen. Ein Mann gehört in seine eigene Stadt. Kannst du mir helfen, Saara? Wenn du die Macht hast, einen Wolf einzusperren, kannst du dann nicht einen Räuber einsperren oder ihn zumindest vertreiben?«
»Kannst du es denn nicht?« entgegnete sie. »Menschen, die keine besonderen Kräfte besitzen, lassen sich von ihnen leicht in die Flucht schlagen.«
Damiano lächelte wehmütig und strich sich nachdenklich durch das Haar.
»Ich wüßte nicht, wie ich es anstellen sollte«, gestand er. »Die Mittel, die mir einfallen, ein ganzes Heer in Angst zu versetzen, sind solche, die Pardo mir selbst vorgeschlagen hat, deshalb bezweifle ich, daß sie bei ihm wirken würden.
Aber mit Regen und Blitzen, edle Dame! Ich spreche die Zauberformel selbst, dann werde ich auch bezahlen müssen, wenn es gefährlich ist oder – «
Aber Saara schüttelte mit Nachdruck den Kopf.
»Das kannst du nicht, Schwarzauge. Das geht nicht, wenn man an einen äußeren Gegenstand gebunden ist wie du an diesen Stab. Und selbst wenn du dich von ihm lösen wolltest, müßtest du noch einmal ganz von Anfang lernen, wie ein Kind.
Ich also würde den Zauber für dich zum Wirken bringen müssen, und ich tue es nicht.« Ihr Gesicht war entschlossen. »Morgen kehrst du nach Ludica zurück.«
Damiano zuckte zusammen. Flehentlich drückte er ihre Hand.
»Bitte! Ich möchte noch ein paar Tage bleiben, falls du dich doch noch anders besinnen solltest.«
Mit zornigem Blick sah Saara Damiano an. Verärgert zupfte sie an einem ihrer Zöpfe.
»Ich habe dir gesagt, daß das nicht geht, Knabe. Ruggiero wird fuchsteufelswild werden, wenn er erst erfährt, daß du hier bist.«
Damiano hob einen Kieselstein auf und warf ihn ins Feuer. Sein eigenes hitziges Temperament regte sich.
»Nun, dann muß er leicht in Zorn geraten, Saara. Denn um die Wahrheit zu sagen, ich bin so unschuldig wie ein Eintagsküken. Wenn ich versuchen wollte, dir Gewalt anzutun, müßtest du mir wahrscheinlich zeigen, wie.«
Mit diesem Geständnis wandte er sich von ihr ab und starrte, ohne etwas zu sehen, auf die Wiese hinaus.
Saara erstickte ihr Lachen mit beiden Händen.
»Ach, mein lieber, süßer Knabe. Ich weiß. Ich wußte es von Anfang an. Aber Ruggiero – wird es entweder nicht glauben oder sich nicht darum kümmern. Er ist stolz und rasch in Zorn zu bringen. Wie Jekkinan, denke ich. Und er rühmt sich, diesem Garten alle Männer fernzuhalten.«
»Stolz und leicht zu erzürnen und nicht einmal ein Zauberer. Was willst du mit ihm, Saara?« fragte Damiano noch immer mit dem Rücken zum Feuer.
Er sah ihr Schulterzucken und ihr Grübchenlächeln nicht.
»Er ist sehr treu«, meinte Saara.
»Das ist Macchiata – meine Hündin – auch«, brummte Damiano.
Er drehte sich wieder um und sah, daß Saara sich nachdenklich an den bloßen Zehen kratzte.
»Versteh doch, Dami. Als ich in dieses Land kam, war ich sehr unglücklich. Voll Kummer und Reue. Als die Leute hier im Süden entdeckten, wer ich war – eine Ausländerin und eine – eine Hexe –, redeten sie nicht mehr mit mir. Die Kinder liefen vor mir davon.
Da kam ein Mann zu mir. Er war ein Mann des Südens, aber einer von unserer Art – der erste, bei dem ich erlebte, daß er seine Gabe in einen Stab gebunden hatte. Ich fand das sehr verwunderlich. Er erzählte mir, er hätte meine
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