Damon Knight's Collection 04 (FiO 07)
Sogar das Gesicht eines vierjährigen Kindes ist bis zu einem gewissen Grad vom Denken geprägt.«
Andrew starrte darauf, verzückt. Es war gespenstisch, lieblich, umfangen von vorgeburtlicher Gelassenheit. »Alle Öffnungen sind noch geschlossen«, flüsterte er.
»Sie werden sich jetzt bald öffnen«, sagte Paul.
Andrew rückte nach vorne, so weit er konnte. »Laß mich die Hände sehen.«
Paul hob eine Hand an und hielt sie hoch, damit Andrew die Handfläche sehen konnte, weich, biegsam, durchzogen wie die eines Babys von unzähligen, zierlichen Linien. Andrew durchforschte sie begierig.
»Ich bin gespannt, wie es sein wird, wieder Dinge zu berühren und in der Lage zu sein, sie zu spüren«, sagte er und ließ sich von Paul helfen, sich wieder hinzulegen.
Von da an ließen sie den Vorhang zurückgezogen, so daß Andrew, auf mehreren Kissen hochgelagert, beobachten konnte, wie die letzten Veränderungen vor sich gingen, das langsame Entsiegeln der Augenlider, der Lippen.
»Warum wacht er nicht auf?« fragte Andrew.
»Das ist nicht dein Sohn«, sagte Paul. »Das bist du, erinnerst du dich?«
»Wie komme ich denn da hinein?«
»Wart ab, und du wirst es erleben.«
Andrew war zu schwach geworden, als daß er sich noch hätte Sorgen machen können. Er vermied es, seine Hände anzuschauen, die so eingetrocknet waren, daß die Einzelheiten der Knochenstruktur durch die sich verdunkelnde Haut sichtbar wurden. Erna mußte ihn füttern, einen Löffel nach dem anderen, eine langwierige Quälerei, die ihm nicht länger irgendwie zu nutzen schien. Zwischen den Mahlzeiten versank er in eine Art Betäubung, von der er schlaff zu Sinnen kam, um gewärtig zu werden, daß er in halbbewußten Stunden einen Dialog mit sich selbst geführt hatte, schwach darauf bestehend, es stark verneinend.
Leben! Leben!
Oh, es ist zu anstrengend, es ist zu weit weg. Ich bin müde. Das ist die Versuchung des Fleisches, die Schwäche des Geistes. Glaub es nicht. Hör nicht darauf. Leben!
Und er würde die gewaltige Ladung seiner Identität aufnehmen und sich noch einmal ins Bewußtsein zurückkämpfen.
Und wieder wegtreiben, nieder und nieder, tiefer und tiefer …
Es war wieder warm, und er konnte die Wiese riechen, ein warmer Grasgeruch mit einer Spur von wilden, unheimlich süßen Erdbeeren. Er lag darin, atmend, zum erstenmal seit Monaten ein Gefühl des Wohlbehagens verspürend, das Vergehen von unzähligen Schmerzen und Leiden. Ich bin tot, dachte er. Und die weitentfernte Stimme von Paul, die immer und immer wieder sagte »Andrew«, erschien als das letzte Echo aus der Zeit. So also geht das weiter, dachte er. Dieses kleine Ich in diesem kleinen Boot. Nun, ich bin froh, da draußen zu sein. Wie schön, nichts zu verspüren als nur diesen angenehmen Duft.
Und dann öffnete er – – seine Augen? Aber da war Paul, der sich über die sich schwarz färbende Hülle beugte, sie sanft berührte, zu ihr sprechend. Ein ekelhaftes Stück. Wie konnte er es nur fertigbringen, sich so dicht darüber zu beugen?
Und dann blinzelte er. Blinzelte an, was? Langsam abwärts, über diese Gliedmaßen hinschauen?
Er konnte nicht sprechen.
Da, Paul, du elendes Genie, es hat nicht geklappt. Es ist etwas schiefgegangen, und ich kann dir nicht einmal erzählen, daß ich das vorhergeahnt und deswegen auch nichts unternommen habe, um dafür zu sorgen, daß dir die Hälfte meiner weltlichen Güter zufiele.
Ah, da endlich. Paul sah in seine Richtung. Wenn er schon nicht sprechen konnte, so konnte er doch lächeln. Er wußte bestimmt, daß er lächelte, denn Paul richtete sich langsam auf und kam auf ihn zu, sein akademisches Stirnrunzeln in Verwunderung zerfallen, seine Hand war suchend ausgestreckt.
»Bist du hier?« forschte Pauls Stimme, neugierig und mit Teilnahme.
Andrew lächelte nochmals.
»Kannst du sprechen?«
Kann dieser Kopf bewegt werden? Er ist außerordentlich schwer, ah, aber er kann auf dem Kopfkissen vor- und zurückbewegt werden, mit Anstrengung zwar, aber die Anstrengung ist nicht schmerzhaft, es ist bloß schwierig.
»Hab keine Angst«, sagte Paul. »Diese verzwickten Nervenvorgänge beim Reden brauchen einiges an Übung. Organisch ist ja alles entwickelt. Du brauchst nur eben etwas Zeit. Erna!«
Das Mädchen kam gelaufen, betrachtete ihn aufgeregt, wandte sich ab, wandte sich zurück. Er hätte lachen können, wenn er dazu in der Lage gewesen wäre, als er der komisch anmutigen Pirouette von Erregung, Neugier und
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