Damon Knights Collection 1
tatsächlich ließ eine Stoßwelle alles Bewegliche erzittern und rüttelte ihn leicht durcheinander, aber es war lange nicht so schlimm, wie er erwartet hatte.
Und dann lag da, noch flimmernd von dem gewaltigen Sturzflug – ein Raumschiff. Eiförmig schwebte es über dem Boden und versperrte die friedliche Aussicht auf die Bäume, die das andere Ende des meilenweiten Parks markierten. Seine Sicht war so plötzlich beschnitten, als ob der Himmel eingestürzt wäre.
Der Schreck machte einer Art Entrüstung darüber Platz, daß etwas so Ungeheuerliches aus heiterem Himmel geschehen war, erwartete man doch als vernünftiger Mensch, daß sich sowohl Wunder als auch Katastrophen stets durch irgend etwas ankündigten. Seine Kopfhaut fing an zu prickeln und verkündete ihm, daß sie gleich brennen würde. Verspätet machte er sich daran, die Creme abzuspülen, wobei er zwischendurch verdutzt zum Fenster hinausspähte. Daß er das Ereignis nicht sofort einschätzen konnte, beunruhigte ihn nicht weiter; er hatte ja keinerlei Anhaltspunkte.
So wenig wie er wußte, konnte dieses große silberne Ei sich auch seit Monaten jeden Tag um die Mittagszeit da draußen auf unsichtbarer Watte niedergelassen haben. Obwohl man seit einem halben Jahrhundert, seit den Kriegen und der Pax Magna, vom Experimentieren abgekommen war und die Raumfahrt verboten hatte – aber man mußte akzeptieren, was man sah. Und dieser schimmernde Ball, der auf absolut nichts ruhte, war zu groß, um irgend etwas anderes als ein Raumschiff zu sein.
So rätselte Wystan Godwin, während er seine Kopfhaut methodisch abspülte. Das Prickeln wollte nicht aufhören. Diese unmögliche, ganz und gar illegale Unterbrechung hatte seine gesamte Zeiteinteilung über den Haufen geworfen, aber sonst konnte er mit sich zufrieden sein.
Schließlich riß er sich von dem faszinierenden doppelten Schauspiel los: er selbst im Spiegel mit der sehr rosigen Haut bis da oben hin und das Schiff im Park, wo kein Schiff sein sollte.
Als er das Zimmer verließ, knackte der Lautsprecher im Gang unheilverkündend, und eine Stimme sagte: »A LLES P ERSONAL SOFORT IM K OMMUNIKATIONSKOMPLEX MELDEN .« Er zuckte zusammen; es war das ohrenbetäubende, unpersönliche Geschrei der Lautsprecher gewesen, das ihn dazu bestimmt hatte, in Tibet Zuflucht zu suchen. Seine Unterkunft lag im dreiundvierzigsten Stock, und so nahm er den Expreßlift zum zehnten. Er bereute es sofort und beschloß, es nie mehr so eilig zu haben, egal wie viele Raumschiffe ihm in den Schoß fallen würden.
Immer noch vibrierend, machte er sich auf die Suche nach Harms. Der stand, von seinem Stab umgeben, breitbeinig an einem Fenster. Godwin tippte höflich auf Schultern, entschuldigte sich nach rechts und links, machte, wenn nötig, Gebrauch von seinen Ellenbogen und stellte sich im Geiste auf eine sofortige, öffentliche oder nicht öffentliche Spitzenkonferenz ein. Er war erleichtert, daß alle anderen genauso aufgeregt schienen wie er. Er und Harms, die dem Ereignis als die beiden ranghöchsten Männer im Kommunikationskomplex äußerlich am nächsten standen, mußten deshalb unverzüglich zu einem Entschluß kommen, welche Maßnahmen zu ergreifen seien. Er räusperte sich.
Harms ließ ihn gar nicht zu Wort kommen. Er wirbelte herum, zeigte seine sämtlichen Zähne und brüllte: »Später!«
Godwin schluckte seine kleine Rede herunter und drängte sich wieder nach draußen durch.
Tage vergingen, und er sah immer noch nicht klar, wieviel später »später« sein würde. Es verdroß ihn, daß er sehr wenig zu erreichen schien, obwohl er ständig auf Trab war. Tatsächlich wurde er von seiner Rolle als Schiedsrichter in dem uralten Spiel »Hackordnung« aufgefressen.
Ungeduldig wartete er auf das Eintreffen von Arbeitsunterlagen. Immerhin war es ermutigend, unter dem Raumschiff eine Barackenstadt wie leuchtende Pilze aus dem Boden schießen zu sehen. Und er sagte sich, daß das Liaison-Lager da drüben ihn jetzt jeden Augenblick rufen und in seine Arbeit einbeziehen würde, und versuchte zu ergründen, warum diese ganzen Informationen und Vorgänge noch nicht bis zu ihm durchgedrungen waren. In der Zwischenzeit übte er sich in yama und dhyãna – Selbstbeherrschung und Meditation.
Oberbefehlshaber Harms machte ihm das dhyãna sauer. Die Erhaltung des Friedens war die erste Aufgabe eines jeden Liaison-Vertreters, aber Godwin hatte noch nie so etwas wie diese mit Gewalttätigkeit geladene Atmosphäre erlebt.
Weitere Kostenlose Bücher