Damon Knights Collection 1
zurück – wo er war! Ich komme!«
Er sah, daß alle Fremden im Raum ebenfalls aufgesprungen waren, und plötzlich erfüllte ein neuer Geruch, schwer und betäubend, die Luft. Überreife Melone vielleicht oder der widerwärtig süßliche Gestank von frischem Aas. Godwin richtete sich zu voller Größe auf – ganz langsam – und legte ein Handgelenk über das andere. Er verbeugte sich aus der Hüfte in Richtung des größten Fremden. Er hatte zwar noch nicht gesehen, daß jemand sich auf dieser Teegesellschaft verbeugte, aber es schien ihm eine ausgesprochen versöhnliche, für jede Kultur verständliche Geste zu sein.
Das Wesen gab ein Geräusch von sich, das sich wie ein Räuspern anhörte, und setzte sich langsam wieder hin. Seine Gefährten taten es ihm nach, während Agnes als einzige hochaufgerichtet dastand und ein halbes Dutzend der menschlichen Delegation auf den jeweils nächsten geräumten Stuhl rutschte und eine Art Stuhlpolonaise vollführte, um den Platz neben Godwin freizumachen. Agnes setzte sich, immer noch blaß vor Schrecken, zu ihm.
»Hast du denn nicht gelesen, daß man sich langsam bewegen muß?« fragte sie.
»Die Akten wurden mir vorenthalten«, erklärte er, »absichtlich. Ich komme nämlich gerade von einem sechsmonatigen Urlaub in Tibet zurück, und ich weiß nicht einmal, was im Pix oder FAX war.«
»Das weißt du nicht?« fragte Agnes so ehrlich ungläubig, daß er sich versucht fühlte, ihr zu erzählen, wie frustrierend die Zeit seit seiner Ankunft im Kommunikationskomplex für ihn gewesen war. Aber irgendwie wußte er, daß sie nicht sympathisieren würde. Sie hätte sich die Kopien gleich am ersten Tag besorgt. Er schluckte seine Rechtfertigungen herunter, und sie fügte hinzu: »Nun, jetzt hast du die Arbeitsunterlagen ja. Dann mach dich mal ans Sichten, damit du aufholst.«
Während er sich in das Liaison-Paket vertiefte, hatte er das verzweifelte Gefühl, daß er die Zeit, die Harms ihm mit der Unterschlagung der täglichen Berichte gestohlen hatte, gar nicht wieder aufholen konnte, um diese so vielschichtige und problematische Materie zu bewältigen. Schließlich war er wissenschaftlich nicht geschult – Liaison beherrschte die bis ins letzte verfeinerte Kunst der Etikette und der Nebenordnung und hatte mit der Forschung nicht das geringste zu tun. Aber wenn Agnes es für nötig befunden hatte, so viele Spezialisten heranzuziehen, mußten die Aufschlüsse, die sie zu geben hatten, wesentlich sein. Gequält ging er die Abhandlungen nach vielversprechenden Überschriften durch und fing wieder von vorne an.
LIAISON
Leloc – XII – 35:006: Physiologie
Wir hatten keine Möglichkeit, diese Tiere zu testen, zu untersuchen oder zu sezieren und haben deshalb nichts zu berichten.
Aus der Entfernung gesehen, scheinen sie intelligente (?) Känguruhs zu sein. Wir vermuten, daß sie einige charakteristische Merkmale dieser Beuteltiere teilen, und wir sind der Ansicht, daß die für Beuteltiere typische Art des Gebärens – die Muttertiere schützen ihre Jungen auf verschiedene Weise außerhalb ihres Körpers – für ein außerirdisches Wesen durchaus in Frage kommt. Einige irdische Fische ziehen ihre Nachkommen in solchen Beuteln auf, ebenso die Wabenkröte. Da auf der Erde verschiedene Arten unabhängig voneinander zu dieser Methode gekommen sind, ist es denkbar, daß eine Beuteltierart auf einem anderen Planeten zur dominanten Lebensform geworden ist.
Es scheint uns jedoch erwähnenswert, daß das irdische Tier, dem diese fremden Wesen am meisten ähneln – das heißt, das Känguruh –, seine Jungen nicht immer mit der fanatischen Sorge schützt, die eine menschliche Mutter für ihren Sprößling an den Tag legt. Man hat beobachtet, daß Känguruhs, wenn sie verfolgt werden, das ihnen hinderliche Junge aus dem Beutel nehmen und beiseite legen. Bei dem zuvor angeführten Beispiel (35:002:) (»mit der Evolution, deren Abschluß der Mensch bildet, werden die Nachkommen progressiv hilfloser … kleiner … sind weniger entwickelt etc. die Abhängigkeit nimmt zu, die Säugezeit dauert länger, das Junge lernt langsamer, sich selbständig zu bewegen, und die soziale und sexuelle Reife tritt später ein«) wurde vielleicht der emotionalen Investition der Mutter in das Wohlbefinden des Kleinen nicht genug Gewicht beigemessen. Im Falle des irdischen Känguruhs wird das Junge als unentwickelter Fötus geboren, so daß man es zu Recht als Larve bezeichnen kann. Darüber, ob
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