Damon Knight's Collection 11 (FO 29)
Flug 216, berichtet die Stimme jedem im ganzen Flughafen, ohne zu zittern oder sich irgendwie zu verändern – jedem teilt sie es mit, eine vertrauliche Information, die nur uns Passagiere etwas angeht – Flug 216 wird (wie könnte es anders sein) verschoben.
Tja, so ist das, und nun, unmittelbar danach, bin ich nicht sicher, ob die Stimme verschoben oder auf unbestimmte Dauer verschoben gesagt hat. Ich überlege, ob es einen Sinn hat, nach dem Wann und Warum zu fragen. Ich überlege, ob das Warten überhaupt einen Sinn hat.
Da fliegt wieder eine Maschine, diesmal habe ich nicht aufgepaßt, wohin. Die Maschinen der anderen Leute starten und landen alle, aber wie kam ich je auf den Gedanken, meine würde das auch tun, trotz des Tickets und trotz meiner neuen Kleider?
Sinnlos oder nicht, ich werde genauso warten wie zuvor, als ich noch nicht wußte, daß mein Flug verschoben wird, aber ich merke schon, daß sich meine Gefühle ändern, während ich die anderen Maschinen aufsteigen sehe. Ich bin völlig zusammengeschrumpft. Ich schrumpfe, während sie in die Höhe klettern. Ich werde allmählich zu klein für meine neuen Kleider. Bestimmt umschlottern sie mich jetzt schon ganz deutlich. Ich werde auffallen. Ich werde schon unangenehm auffallen, wenn ich von hier bis zur Tür gehe. Jeder wird mich anstarren.
Aber weshalb bin ich enttäuscht über Flug 216? Ich war nicht einmal sicher, ob ich überhaupt zurück wollte. Im Grunde genommen will ich nicht zurück, nicht wirklich. Was wollte ich dann? Und die dreihundert Dollar? Wenn ich die wiederbekommen kann – wird das ein Ersatz für das sein, was ich wollte, egal, was es nun war? Ich überlege, ob ich es wiederbekommen kann; immerhin wäre es eine schöne Stange Geld. Ich überlege, ob ich es gleich versuchen soll. Aber der Flug ist nur verschoben, nicht abgesagt.
Ich sehe einen Mann am Schalter, der etwas zu fragen scheint. Er paßt ganz und gar nicht hierher. Sein Mantel ist aus einer Armeedecke genäht, und er hat einen wirren, schmutzigblonden Bart. Wenn er sich nach Flug 216 erkundigt, und sicher macht er das, dann sollte ich es besser bleiben lassen. Ich glaube nicht, daß es richtig ist, sich mit solchen Leuten auf eine Stufe zu stellen. Am Ende denken sie noch, wir gehören zusammen und haben das gleiche Ziel. Immerhin, das Geld wäre nicht zu verachten. Wenn ich vielleicht eine halbe Stunde warte und dann frage, bringen sie mich nicht mit ihm in Verbindung.
Hier bin ich nun, eine wartende Frau. Ich wünschte, ich hätte in diesem Augenblick der Enttäuschung mehr Bedeutung. Wäre ich ein Mann, so könnte ich sogar die wartende Menschheit verkörpern, die gesamte Menschheit, deren Flug für unbestimmte Dauer verschoben wurde, aber ich bin nur eine wartende Frau. Ein ziemliches Klischee. Nicht weiter wichtig. Soll sie warten!
Wenn ich ganz still dasitze, spüre ich ein winziges Rutschen, eine kleine schlängelnde Bewegung des Rückzugs nach innen. Meine Füße berühren kaum noch den Boden. Nach oben steigt die nächste Maschine, und mein Herz tut einen Satz.
Aber die dreihundert Dollar. Ist die halbe Stunde schon vorbei? Ich vergaß vorhin auf die Uhr zu schauen. Ich werde noch einmal die gleiche Spanne verstreichen lassen. Meine Füße baumeln. Ich bin wie ein kleines Mädchen in Erwachsenenkleidern. Jeder, der in meine Richtung schaut, wird sich fragen, wer mir die großen Sachen angezogen hat und warum. Hat sie ihre eigenen Kleider irgendwo verloren? werden sie sich fragen. Hatte sie so etwas wie einen Unfall? Hat sie sich schmutzig gemacht? Hat sie auf ihre Kleider erbrochen und mußte deshalb die Sachen ihrer Mutter anziehen? Ich glaube nicht, daß sie mir die dreihundert Dollar geben würden, wenn ich in meinem jetzigen Zustand an den Schalter ginge. Und selbst wenn ich das Geld bekäme, würde man mich an der Kaffeebar bedienen? Wenn ich noch viel länger warte, wird es mir schwerfallen, einen ihrer Hocker zu erklimmen, und es muß doch peinlich für jeden sein, wenn ich direkt vor ihren Augen weiterschrumpfe, während ich bei Kaffee und einem Sandwich sitze. Sie würden dann alle merken, daß ich nicht wie sie bin. Sie kam uns doch gleich komisch vor, als sie sich hinsetzte und die Flugzeuge beobachtete, würden sie alle sagen. Sie kam uns die ganze Zeit über komisch vor.
Mittlerweile bin ich nicht einmal mehr eine wartende Frau. Ich bin eine wartende Mücke. Ich verkörpere alle Mücken (gär so viele kann es nicht geben), die darauf
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