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Damon Knights Collection 7

Damon Knights Collection 7

Titel: Damon Knights Collection 7 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Damon Knight
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zentimeterdicken Zweige; sie brachen laut knackend, und manche schnellten einem ins Gesicht. Sie schnitt schnell und sehr geschickt.
    Ich schwieg und betrachtete ihr Gesicht.
    Sie schüttelte den Kopf mit Entschiedenheit.
    »Aber Ruths und Bettys Mütter …« fing ich stockend an.
    »Ich nehme an so etwas niemals teil«, sagte sie.
    »Sie müssen ja nicht dort bleiben«, versuchte ich es noch einmal beschwörend.
    »Niemals«, antwortete sie. »Niemals!« Damit kappte sie einen besonders dicken, trockenen, silbernen Zweig vom Fliederbusch und gab ihn mir. Und dann musterte sie mich unverwandt mit einer plötzlich sehr strengen, ernsten und unangenehmen Miene, fremd, wie ein Mensch, der einen anderen in die Schlacht gehen sieht, wie aus einem Film, aber stur und unbeugsam. Ich wußte, daß ich bei ihr auf Granit biß. Ich stellte mir vor, daß sie einige der Kämpfe des Zweiten Weltkrie ges erlebt haben mochte, möglicherweise sogar daran teil genommen hatte. Obgleich ich kaum einen Ton herausbrachte, fragte ich:
    »Waren Sie im Weltkrieg?«
    »In welchem Weltkrieg?« erkundigte sich unsere Mieterin. Dann wiederholte sie: »Ich gehe niemals aus«, und wandte sich wieder dem Busch zu.
     
    Am Ballabend forderte mich meine Mutter auf, mich anzuziehen, und ich gehorchte. An der Innenseite meiner Zimmertür hing ein Spiegel, aber die Fenster waren geeigneter; sie verwischten die Konturen, vermittelten meiner Gestalt einen schwarzen Hintergrund und tauchten meine Augen in geheimnisvolle, dunkle Schatten. Ich trug ein altrosa Organdykleid und hatte einen Strauß Maßliebchen aus dem Garten angesteckt. Als ich nach unten ging, wartete unsere Mieterin am Fuß der Treppe auf mich: hochgewachsen, mit bloßen Armen und fast schön. Sie hatte ihre unmöglich struppigen Haare irgendwie gebändigt und sie legten sich in einzelne rot schimmernde Locken wie auf einem Starfoto. Als sie sich in Bewegung setzte, fand ich sie anmutig und wunderschön in ihrem schwarzen, silbern aufblitzenden Gewand, das wie ein Pariser, oder besser noch wie ein New Yorker Modell aussah. Um die Stirn trug sie ein silbernes Band wie eine indianische Prinzessin, und an den Füßen die silbernen Sandaletten mit einer Spange über den Rist.
    Sie sagte: »Hübsch siehst du aus«, und fügte dann flüsternd hinzu: »Ich werde kein guter Anstandswauwau sein. Ich werde einfach verschwinden.« Sie faßte mich am Arm und schaute mich mit seltsamer Zärtlichkeit an.
    »Na schön«, sagte ich mit äußerlicher Gelassenheit, »ich komme wohl allein zurecht.« Dabei hoffte ich, sie würde mich nicht meinem Schicksal überlassen, und gleichzeitig, sie würde nicht ausgelacht werden wegen ihrer ungewöhnlichen Größe.
    »Dein Vater wird um zehn Uhr eingeschlafen sein«, murmelte meine Mutter. »Komm also um elf Uhr heim. Und viel Spaß.« Sie küßte mich.
    Ruths Vater, der Ruth, ihre Mutter, mich und unsere Mieterin zum Klubhaus fuhr, lachte nicht, und die anderen auch nicht. Unser Gast schien zusammen mit dem Kleid eine neue Anmut angelegt zu haben, verbunden mit großer Liebenswürdigkeit. Jedenfalls fand Ruth, die bisher nur Gerüchte über sie vernommen hat te, sie nett, und Ruths Vater, der Mathematiklehrer an der Oberschule war, fing nach einem Räuspern ein Gespräch an. »Es muß einem einsam vorkommen, wenn man immer zu Hause bleibt.«
    Unsere Mieterin erwiderte: »Ja, das stimmt.« Sie legte eine langfingrige, elegante Hand auf seine Schulter wie das Bein einer unwirklichen Spinne, und seine Worte und die ihrigen hallten wider in der Nacht, hall ten hin und zurück und verloren sich unter den Bäumen, die rechts und links der Straße in schwarzen Klumpen standen.
    »Ruth möchte zum Zirkus«, sagte Ruths Mutter lachend.
    »Möchte ich nicht!« protestierte Ruth.
    »Wirst du nicht«, erklärte ihr Vater.
    »Ich werde tun, was ich will«, konstatierte Ruth mit hochgereckter Nase und holte ein Cremehütchen aus der Handtasche und steckte es in den Mund.
    »Du wirst es nicht tun!« donnerte ihr Vater empört.
    »Daddy, du weißt genau, daß ich es doch tun wer de«, sagte Ruth heiter, wenn auch etwas gedämpft. Und im Schutz der Dunkelheit schob sie sich auf dem Rücksitz näher zu mir und drückte mir aus ihrer verschwitzten Hand ein weiteres Cremehütchen in meine verschwitz te Hand. Ich verspeiste es; es war unangenehm und übertrieben süß.
    »Ist es nicht phantastisch?« rief sie aus.
    Der Country Club entsprach nicht meinen Erwartungen; er war nur ein

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