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Damon Knights Collection 7

Damon Knights Collection 7

Titel: Damon Knights Collection 7 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Damon Knight
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und über den grabsteinbedeckten Hügel, durch die Zypressensäulen hindurch, auf die Wasserfläche des Goldenen Horns zu blicken. Das Café hielt die Erinnerung an vergangenen Ruhm mit Bildern und Andenken wach. Loti, mit einem roten Fez und einem wilden Schnurrbart, schaute von jeder Wand auf die Gäste herab. Während des Weltkrieges war Loti in Istanbul geblieben und hatte sich an die Seite seines Freundes, des Sultans, gegen sein Heimatland Frankreich gestellt.
    Er bestellte ein Glas Tee bei einer Kellnerin, die im Kostüm einer Haremsdame servierte. Er setzte sich auf Lotis Lieblingsstuhl. Es war herrlich. Er fühlte sich wie zu Hause.
    Er schlug das Notizbuch auf und begann zu schreiben.
     
    Wie ein Invalide bei seinem ersten Spaziergang nach langer Rekonvaleszenz empfand er die neubelebte Energie rocht nur als willkommene und voraussehbare Euphorie des Wiedergeborenseins, sie stieg ihm auch zu Kopf und benebelte seinen Intellekt, als hätte er sich durch den einfachen Akt des Auf-die-Füße-Stellens in gefährliche Höhen begeben. Diese Benommenheit verstärkte sich, als er beim Entwerfen einer Entgegnung auf Robertsons Buchkritik gezwungen war, einige Passagen seines Buchs nachzulesen. Des öfteren kamen ihm diese Stellen unverständlich vor. Ganze Kapitel hätte er ebensogut in Ideogrammen oder Runenschrift schreiben können, so sinnlos erschienen sie ihm nun. Gelegentlich aber spornte ihn eine Bemerkung, für den Inhalt des Buches so irrelevant, daß sie in schamhafte Klammern gesetzt war, zu sehr unerwarteten und unerwünschten Schlußfolgerungen an. Oder besser gesagt führte ihn jede dieser Tangenten asymptotisch zum gleichen Resultat: daß dieses Buch oder jedes weitere Buch, das er noch konzipieren mochte, wertlos war, und zwar nicht, weil seine Theorie nicht stimmte, sondern deshalb, weil er damit recht haben könnte.
    Es gab ein Gebiet der Beurteilung und ein Gebiet der Fakten. Sein Buch existierte im Rahmen des ersteren, wenn auch nur deshalb, weil es ein Buch war. Es lag an der trivialen Tatsache seiner Körperlichkeit, aber dies ließ er in diesem Fall wie auch in den meisten anderen nicht gelten. Es war ein Werk der Kritik, eine systematische Beurteilung, und soweit sein System vollständig war, mußte sein kritischer Apparat imstande sein, seine eigenen Maßstäbe zu messen und die Beurteilung richtig zu beurteilen. Konnte er das? War sein »System« nicht ebenso willkürlich wie der Bau irgendeiner dummen Pyramide? Was war es also? Eine Aneinanderreihung von Worten, von mehr oder weniger angenehmen Geräuschen, von denen man höflicherweise annahm, sie würden mit gewissen Objekten und Klassen von Gegenständen, Handlungen und Handlungsabläufen im Rahmen der Tatsachen übereinstimmen. Und welche subtile Magie vermochte diese Übereinstimmung zu verifizieren? Einfach durch die Bestätigung, daß es so war!
    Das war, zugegebenermaßen, nicht eindeutig. Der Gesamtkomplex war ihm schnell eingefallen und durch den Genuß billigen Rotweins nicht wenig gefärbt. Um die Umrisse in seinen Gedanken etwas klarer zu formulieren, versuchte er, sie in einem Brief an Art News darzulegen:
     
    Sehr geehrte Herren,
    ich nehme Bezug auf F. R. Robertsons Besprechung meines Buchs, obgleich die wenigen Worte, die ich zu sagen habe, Mr. Robertsons Orakel nur am Rande berühren, ebenso wie dieses kaum etwas mit Homo Arbitrans zu tun hatte.
    Nur soviel – wie Göbel in der Mathematik gezeigt hat, Wittgenstein in der Philosophie und Duchamp, Cage und Ashberry auf ihren Gebieten, ist die schließliche Darlegung eines Systems eine Selbstoffenbarung, eine Demonstration, wie gewisse kleine Tricks funktionieren – nicht durch Zauberei (wie den Zauberern seit jeher bekannt ist), sondern durch die Bereitwilligkeit der Zuhörer, getäuscht zu werden: eine Bereitschaft, die die gesellschaftliche Ordnung erst zusammenhält.
    Jedes System, einschließlich meines eigenen und Mr. Robertsons, ist ein System mehr oder weniger interessanter Lügen, und wenn man diese Lügen in Frage stellt, dann sollte man wirklich von vorne beginnen. Das bedeutet mit der sehr fragwürdigen Behauptung auf dem Titelblatt: Homo Arbitrans von John Benedict Harris.
    Nun frage ich Sie, Mr. Robertson, was könnte unwahrscheinlicher, experimenteller, willkürlicher sein?
    Er schickte den Brief ab, ohne Unterschrift.
     
    Seine Fotografien waren ihm für Montag versprochen worden, und so ging er am Montag, noch ehe der Reif von der Schaufensterscheibe

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