Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Damon Knights Collection 9

Damon Knights Collection 9

Titel: Damon Knights Collection 9 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Damon Knight
Vom Netzwerk:
an der Glyzinienstraße vorbei und sehe, daß das Flechtwerk an der Veranda des Sagamore-Hauses noch immer existiert. Auch die Apfelbäume stehen noch, knorrig wie Greisenhände, so alt, daß sie sich in sich selbst zurückziehen, nicht länger in der Lage, sich nach der Welt auszustrecken, nicht länger nach der Welt verlangend. Jedes Jahr komme ich zurück, und jedes Jahr bin ich überrascht, zu sehen, daß manche Dinge sich nicht verändern. Die Apfelbäume im Hof des Sagamo re-Hauses sind wichtig für mich; jedesmal habe ich Angst, daß sie gefällt wurden oder daß der Tornado sie umgeworfen hat, der dann und wann wie ein D-Zug vom Südwesten heraufgebraust kommt, um dann in den Bergen jenseits der Stadt zu sterben.
    Wie selbstverständlich nehmen wir die langen, heißen, trocknen Sommer hin, die seelentötenden Winter, die Dürre, die Tornados, die Blitze. In keinem Teil des Landes kann das Wetter übler sein als in Somerset. Wir halten es für normal. Ich weiß nicht genau, warum die Apfelbäume so wichtig sind. Im Frühling, von der warmen Sonne gereizt, erblühen sie Jahr für Jahr viel zu früh und gleichen Fackeln aus weißem Licht. Stets folgt ein später Frost, der sie erfrieren läßt, und dann sind sie nur noch Bäume, die immer krummer werden und spärliche Früchte tragen. Doch macht es immerhin Spaß, in ihnen herumzuklettern.
    In Mr. Larsons Lebensmittelladen, wo ich immer einkaufe, wenn ich daheim bin, erfahre ich von Agnes McCombs, daß heute morgen in der Frühe am Bahnhof ein Lastwagen und zwei Autos mit Studenten und einem Doktor aus Harvard angekommen seien. Agnes geht, und ich sage ihr abwesend auf Wiedersehen. Ich erinnere mich an eine andere Begrüßungsszene hier in Mr. Larsons Laden, als ich dreizehn war. Er gab den Kindern immer eine Scheibe „Hausgemachtes“, während die Mütter einkauften, doch an jenem Tag, da er wie üblich seine Leckerbissen angeboten hatte, sah er mich plötzlich augenzwinkernd an und zog die Gabel mit den aufgespießten Wurstscheiben wieder zurück: „Vielleicht möchten Sie lieber eine Cola, Miss Janet?“
    Er ist so alt, achtzig, neunzig. Ich dachte früher immer, er müßte mindestens hundert sein. Er ändert sich kaum. Seine Hände sind wie Apfelbäume. Ich frage ihn: „Warum sind Sie hier? Was wollen Sie?“
    „Sagten Sie nicht, ich freu mich, daß Sie wieder da sind, Janet. Muß am alten Haus irgendwas repariert werden?“
    „Alles in Ordnung. Warum ließ Miss Dorothea Sie rein?“
    „Geld. Es ist mindestens sechs, sieben Jahre her, seit irgend jemand nach Somerset kam. Wissen Sie, die Steuern werden nicht niedriger.“
    Ich kann die Wut nicht erklären, die mich plötzlich überkommt. Ich möchte in Tränen ausbrechen oder wie ein altes Fischmarktweib loszetern. Mr. Larson nicht. „Wir dachten, daß Sie sich vielleicht an sie heranmachen könnten. Herausfinden, was sie wollen.“ Er wühlt unterm Ladentisch und bringt einen Brief zum Vorschein. „Von Ihrem Vater“, sagt er und deutet auf den Absender. „Geht es ihm besser?“
    „Immer das gleiche. Ich besuchte ihn letzten Monat. Ich glaube, er hat vergessen, mir einige Dinge zu erzählen, und schreibt sie mir jetzt.“
    Mr. Larson schüttelt traurig mit dem Kopf. „Ein guter Mann, Ihr Vater.“ Nach einem Augenblick fügt er hinzu: „Vielleicht wäre es das Beste …“
    Ich weiß, was er meint. Daß er ohne Mutter, in dieser Stadt, so wie sie jetzt ist, sein einziges Kind, eine Frau von beinahe dreißig …
    Aber er weiß nicht, wie es Vater geht, oder er sagt es nicht. Ich beende meinen Einkauf und begrüße den armen Haddie, der eben mit seinem Karren zurück ist. Er hat gerade das Sagamore-Haus beliefert. Später wird er meine Sachen bringen. Als ich weggehe, überlege ich, daß sein Name ohne das „arm“ nackt klingen würde, der Name eines Fremden, nicht der des schwerfälligen Laufjungen, den ich mein Leblang kenne.
    Ich habe noch ein paar Besuche zu machen. Dr. Warrens Schindeldach braucht neue Farbe, denke ich, als ich sein Haus betrete. Eigentlich hat er keine richti ge Praxis mehr, obwohl die Leute immer noch mit ihren Hals- und Bauchschmerzen und anderen Wehwehchen zu ihm kommen und er ihnen dann und wann dieses oder jenes vorschlägt. Wenn sie wirklich krank sind, gehen sie zu Hawley, der vierzig Kilometer entfernt jenseits der Berge wohnt. Dr. Warren versäumt nie, mich zu warnen, daß die Welt noch nicht weit genug sei für einen weiblichen Arzt, und jedesmal versuche ich

Weitere Kostenlose Bücher